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Elf Jahre sind vergangen, seitdem Sheriff George Peters und seine Kollegen eine Sippe zurückgebliebener Kannibalen töteten und dabei auch Unschuldige in Verkennung der Situation erschossen. Viel ist in der Zwischenzeit geschehen. Peters ist im Ruhestand, seine Frau ist gestorben, und der ehemalige Sheriff kann die traumatischen Bilder nur durch Alkohol ertragen. Da bittet ihn der neue Sheriff, Vic Manetti, in einem grausigen Doppelmord um Hilfe. Peters wähnt sich in einem Alptraum, als er die verstümmelten, angefressenen Leichen zweier Frauen sieht. Die Kannibalen sind zurückgekehrt und haben grausam zugeschlagen. Eine Babysitterin und die gerade heimgekehrte Mutter wurden Opfer der blutgierigen Menschenfresser, von dem Säugling fehlt jede Spur. Was Peters und Manetti nicht wissen ist, dass damals eine der Töchter der Kannibalensippe schwer verwundet überlebt hat und eine neue Familie gründen konnte. Gemeinsam begeben sie sich wieder auf die Jagd. Die Beute sollen dieses Mal ein junges Ehepaar und ihre neugeborene Tochter werden, die gerade Besuch von einer gemeinsamen Freundin und ihrem achtjährigen Sohn haben. Die Gier der Kannibalen kennt keine Grenzen
Elf Jahre mussten zumindest die deutschen Leser nicht warten, bis sie in den Genuss der Fortsetzung von "Beutezeit" kamen, neben "Evil" mit Sicherheit die deftigste Kost, die Autor Jack Ketchum zur Zeit auf dem deutschsprachigen Buchmarkt zu bieten hat. Mit seinen Werken über eine degenerierte, kannibalisch lebende Sippe an der Ostküste der Vereinigten Staaten hat Ketchum die Gefilde des plakativen Unterhaltungsromans verlassen und Horror in seiner reinsten Form geschaffen. Der Anspruch offenbart sich dabei erst auf den zweiten Blick, wenn man den Schleier aus Ekel und Entsetzen gelüftet hat und auf die atavistischen Triebe blickt, die in jedem von uns schlummern und in unserer zivilisierten Welt nur in Extremsituationen oder psychischen Belastungen zu Tage treten. Obwohl es in der Beschreibung der Grausamkeiten nicht ganz so deftig zugeht wie im Vorgänger "Beutezeit", so muss der sensible Leser sich dennoch auf einige leidvolle Lesestunden gefasst machen, denn dieses Mal geraten auch ein Säugling und ein achtjähriger Junge in das Visier der Menschenfresser. In erschreckender Intensität beschwört Ketchum ein Szenario herauf, das durchaus glaubhaft ist, von dem wir in unserem Innersten fasziniert sind, und das wir doch um keinen Preis der Welt jemals am eigenen Leib erfahren wollen. Der Erzählstil des Autors ist schonungslos offen und fängt dort an, wo andere Autoren aufhören oder abblenden. Die rasante, flüssige Schreibe macht den Roman, wie auch die anderen Titel von Jack Ketchum, zu einem Pageturner, den man nicht mehr aus der Hand legen möchte. Die Wortwahl ist angemessen und hebt sich von der üblichen Fäkalsprache, die bedauerlicherweise in diesem Genre nur allzu oft bemüht wird, deutlich ab. Ketchums Charaktere sind glaubwürdig und machen es dem Leser leicht, sich in sie hineinzuversetzen. In diesem Fall ist es sogar so, dass eigentlich alle Personen sehr sympathisch und liebenswert erscheinen und man insgeheim hofft, dass es die Menschen schaffen zu entkommen. Doch wer Ketchum kennt, der weiß, dass es Opfer geben wird. Auch dieses Mal legt der Autor viel Wert auf die Beschreibung der Emotionen und Motive der Menschen, die in Extremsituationen über sich selbst hinauswachsen. Im Gegensatz zu "Beutezeit" hat Jack Ketchum das Szenario um einen interessanten Aspekt erweitert. Denn der psychopathische Ehemann der Mutter des achtjährigen Jungen will seine Familie um jeden Preis wiederhaben. Hier trifft die perverse Brutalität zivilisierter Monster im Anzug auf die primitive Gewalt grobschlächtiger Kannibalen. Ein Buch, das bis zur letzten Zeile packend und blutig ist. Ein kleines Manko mag sein, dass der Autor gerade zum Ende hin ein wenig in die vorhersehbaren Abläufe eines amerikanischen Hollywood-Filmes hineingerät. Dadurch verliert das Finale ein klein wenig an Glaubwürdigkeit. Dafür kann der Leser etwas besser schlafen, was den Preis wert sein sollte.
Die Aufmachung von "Beutegier" ähnelt dem ersten Kannibalen-Roman von Jack Ketchum und sorgt für einen hohen Wiedererkennungswert. Papier, Umschlag und Satz sind von allererster Güte.
Fazit:
"Beutegier" ist ein würdiger Nachfolger von "Beutezeit", der mit interessanten neuen Szenarien aufwartet. Jack Ketchum bewegt sich bei der Charakterisierung von Menschen in extremen psychischen Belastungssituationen wie ein Fisch im Wasser. Die Kannibalen sind nicht weniger zimperlich und bringen den Leser an die Belastungsgrenze. Mahlzeit!