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Deutschland ist ein Zuwanderungsland. Das zumindest wurde nach vielen Jahrzehnten der Verweigerung dieses Tatbestandes unter der Regierung Schröder anerkannt. Dennoch werden jährlich Tausende Menschen aus Deutschland abgeschoben. Miltiadis Oulios hat Schicksale dieser Menschen zusammengetragen und über den (Un-)Sinn der Abschiebepraxis ein seitenstarkes Buch geschrieben.
Auf gut 480 Seiten erzählt der Autor die Geschichte der Abschiebung in Deutschland und auch international, berichtet von einer Menge Einzelschicksale und versucht eine Theorie der staatlichen Praxis zu entwickeln. Dabei wechseln sich Interviews mit AsylbewerberInnen mit den wissenschaftlich geschriebenen Kapiteln ab. In der Mitte des Buches gibt es einen Bilderteil, der den interviewten Menschen ein Gesicht und häufig auch einen Eindruck von ihrer Lebenswelt in Deutschland oder in dem Land, in das sie abgeschoben wurden, gibt.
Das Buch endet mit einem umfangreichen Anmerkungsapparat.
Miltiadis Oulios' Buch "Blackbox Abschiebung" ist ein engagiert und fundiert recherchiertes Werk, das einen tiefgründigen Eindruck vom Leben als Flüchtling und Asylbewerber gibt. Darüber hinaus ist es ein starkes Plädoyer gegen die Abschiebepraxis und für ein kosmopolitisches Recht auf Migration.
Oulios Konzept nicht nur akademisch über die Thematik zu schreiben, sondern die Betroffenen selbst zu Wort kommen zu lassen, ohne sie dabei zu zensieren, ist besonders hervorzuheben. Er lässt sie sprechen und erzählen, ohne sie zu kommentieren und der Leser wird dafür sensibilisiert, dass es sich bei Abgeschobenen um Menschen handelt mit Schwächen und Stärken. Einige sind dem Leser sympathisch, andere nicht. Was sie gemein haben, ist nur, dass sie keine Aufenthaltserlaubnis haben. So wird deutlich, dass auch bei Menschen, die eine Straftat begangen haben, eine Abschiebung ungerecht ist, weil sie eine doppelte Bestrafung darstellt, die einem Straffälligen mit deutscher Staatsangehörigkeit nicht passieren kann.
Sehr überzeugend argumentiert der Autor durch das gesamte Buch, dass Abschiebung eine nutzlose Praxis darstellt. Die Menschen nehmen sich das Recht auf Migration trotz aller staatlicher Schikanen. Trotz FRONTEX, Gefängnissen und Abschiebungen kommen die Menschen nach Europa und Deutschland, in der Hoffnung auf ein bessere Leben. Anstatt sie darin zu unterstützen, werden Schikanen aufgebaut, die vorgaukeln, dass der Staat und die Politik die Zuwanderung steuern könnten. Die einzige Wirkung ist die Angst vor Abschiebung, die Illegalisierung des Aufenthalts und oftmals die Entwurzelung ganzer Familien, deren Kinder in Deutschland aufgewachsen sind und plötzlich in einer ihnen fremden Umgebung in die Perspektivlosigkeit geschickt werden.
Der an sich zwar lange aber kurzweilige und spannende Text krankt nur ein wenig an seinem Theorie-Überschuss, der an manchen Stellen aufgesetzt wirkt oder sogar zu Stilblüten führt. So werden manchmal Theoretiker oder Theorien heran gezogen ohne weitere Begründung oder es kommt zu Sätzen wie: So werden die Flüchtlinge zu "Weltbürgern avant la lettre", ein Satz, der nur sinnvoll wäre, wenn es den Begriff Weltbürger nicht bereits seit Jahrhunderten als Ausdruck eines Kosmopolitismus geben würde. Auch schweift Oulios oft ab, erzählt beispielsweise von der Migration Ende der 1960er Jahre und kommt dadurch sogar auf die Todesschüsse auf Benno Ohnesorg zu sprechen. Die Einbettung des Themas Abschiebung in gesamtgesellschaftliche Entwicklungen ist zweifelsohne sinnvoll, doch muss sie nicht zu deren Nacherzählung führen.
Dennoch ist dieses Buch mehr als lesenswert. Es klärt auf und sensibilisiert für das Schicksal ungerecht behandelter Menschen und ist ein insgesamt sehr überzeugendes Plädoyer, die Abschiebepraktiken in Deutschland, in Europa und in aller Welt abzuschaffen.
Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebsite.