Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Gefühl | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
In einem leer stehenden Lagerhaus, das demnächst zu einem Club umgebaut werden soll, wird die Leiche eines Ex-Polizisten gefunden - und jede Menge Blut, das definitiv nicht von ihm stammt. Will Trent und seine Kollegen untersuchen den Tatort, ebenso Wills Freundin Sara Linton in ihrer Funktion als Pathologin. Als dort eine Waffe auftaucht, die auf Wills Noch-Ehefrau Angie zugelassen ist, ahnt der Cop, dass die Geschichte kompliziert und persönlich sein wird. Denn obwohl Angie Will praktisch nur ausgenutzt und immer wieder verlassen hat, hasst sie Sara mit einer geradezu pathologischen Eifersucht und sieht Will als ihren Besitz an. Doch nicht genug damit, dass Angie mitmischt, ob tot - das viele Blut scheint von ihr zu stammen - oder noch lebendig: Das Lagerhaus gehört Marcus Rippy, gegen den Will in einem Fall schwerer Vergewaltigung ermittelt hat. Der schwerreiche Basketballspieler wurde jedoch dank seiner raffinierten Anwälte freigesprochen. Nun muss sich Will erneut mit Rippy auseinandersetzen. Bald kommt es zu komplexen Verwicklungen. Vor allem glaubt Will, Angie wieder einmal retten zu müssen, und das im Wettlauf mit der unbarmherzig verrinnenden Zeit.
Im sechsten Teil von Karin Slaughters Thriller-Reihe mit dem Schauplatz Georgia sind Will Trent und Sara Linton seit achtzehn Monaten ein Paar. Sara war etliche Bände lang alleinige Protagonistin, und seit einiger Zeit spielt Will nicht nur in Saras Leben eine tragende Rolle, sondern auch in der Serie. Will, der Cop mit einer trostlosen, von Gewalt und Vernachlässigung geprägten Kindheit und dem wohl unerfüllbaren Wunsch nach einem einfach nur intakten Leben, bringt eine besondere, berührende Note in den menschlichen Bereich des Romans.
Fast von Anfang an bestimmt Wills Ex Angie die Handlung von "Blutige Fesseln", anfangs indirekt, da sie als mögliches Mord- oder Mordversuchsopfer gilt, dann tritt sie auch unmittelbar in Erscheinung. Aber sie terrorisiert nicht nur Sara und Will mit ihrer Eifersucht, sondern ist sehr viel tiefer in die Vorgänge, die sich in der alten Lagerhalle abgespielt haben, zu der Will und seine Kollegen gerufen wurden, verstrickt als zunächst gedacht. Zwischen Angie und dem dort aufgefundenen ermordeten Ex-Polizisten, doch auch zwischen ihr und dem Besitzer der Lagerhalle gibt es offensichtlich mehr oder weniger komplexe Beziehungen - und Angie scheint den Ermittlern immer um Längen voraus zu sein, ohne dass Will und seinen Kollegen klar ist, welche Ziele sie verfolgt. Skrupel beim Strippenziehen kennt sie jedenfalls nicht.
Anhand mehrerer Handlungsstränge erzählt Karin Slaughter eine Geschichte, die sofort fesselt und über viele Seiten Rätsel über Rätsel aufzeigt. Die Autorin arbeitet ihre kantigen Individuen sehr plastisch heraus, der Leser nimmt ihr die teils recht brutale Story aufgrund dieser authentischen Darstellung der Charaktere auch unmittelbar ab. Schließlich folgt ein Abschnitt, der aus Angies Perspektive erzählt wird, und plötzlich präsentiert sich die Faktenlage ganz anders, auch wenn Angie selbst um keinen Deut sympathischer wird. Dieser Perspektivwechsel bringt zwar die bereits zuvor zu erahnende Auflösung mit sich, doch Slaughter lässt den Leser nicht so einfach laufen: Sie bietet einen wahrlich atemlosen Showdown.
Ob für diesen Thriller vier oder fünf Wertungssterne vergeben werden sollen, hängt von der Neigung des Lesers ab: Wer etwas für starke Gefühle übrig hat, für die unglaubliche Spannbreite zwischenmenschlicher Beziehungen in Verbindung mit einer praktisch durchgehend fesselnden Story, wird die Bestnote vergeben. Manchem Leser mag hingegen die Wucht der aufeinander losgelassenen Emotionen ein wenig üppig erscheinen, doch der gelungene Plot in Verbindung mit sehr realistischen Figuren lohnt die Lektüre definitiv.
Eine Leseprobe bietet die Verlagsseite.
Hier finden Sie weitere Rezensionen zu Büchern von Karin Slaughter.