Der niederländische Maler Hieronymus Bosch hat der Nachwelt ein faszinierendes Werk hinterlassen, das vor allem durch seine beunruhigenden, teils albtraumhaften Kompositionen lange im Gedächtnis des Betrachters haften bleibt. Der Taschen Verlag hat nun Boschs Gesamtwerk als kommentierte Sonderedition anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Verlags herausgegeben, und das zu einem unschlagbar günstigen Preis. Der Hardcoverband im Format 24 x 30 cm enthält auf 96 Seiten Boschs Gesamtwerk; neben den Gemälden sind auch einige Studien und Skizzen abgebildet.

"Bosch – Sämtliche Gemälde" ist kein reiner Bildband, der nur die Gemälde des 1450 in 's-Hertogenbosch (niederländische Provinz Nordbrabant) geborenen Künstlers wiedergibt – zum Glück! Da Bosch, anders als viele seiner Zeitgenossen, keine Aufzeichnungen hinterlassen hat, die eine Deutung seiner Werke vereinfachen würden, braucht es schon einer sehr eingehenden Vertiefung oder eben der Hilfe eines Bosch-Kenners. Sogar Kunsthistorikern ist es teils bis heute nicht gelungen, Boschs rätselhafte Bildsprache zufriedenstellend zu entschlüsseln. In diesem Buch führt Autor Walter Bosing durch die verstörende Bilderwelt von Hieronymus Bosch und deutet und interpretiert dabei viele Bilder oder Bildelemente auf eingängige und durchaus auch unterhaltsame Art und Weise.

Bosing lenkt den Blick des Lesers gezielt auf Details, die einem sonst gar nicht auffallen würden, und gibt Erklärungen zur Symbolik und zu Gebräuchen und Phänomenen des ausklingenden Mittelalters, die den meisten nicht bekannt sein dürften, die zum Verständnis von Boschs Gemälden aber wichtig sind, da sie vor Allegorien nur so wimmeln.
So kann sicher kaum jemand etwas mit der recht drastisch dargestellten Szene aus "Das Steinschneiden" anfangen, wo ein Chirurg einem Patienten einen Stein aus dem Kopf herausoperiert, während eine Nonne und ein Mönch zusehen. Es handelt sich um die allegorische Entfernung der Dummheit und der Narrheit aus der Stirn des Patienten; eine Operation, die laut Bosing zum Glück nur als Fiktion und nicht tatsächlich stattfand.

Ein anderes Bild mit einem ähnlichen Thema – Quacksalberei und Täuschung – ist "Der Gaukler", auf dem ein Taschenspieler einem Ahnungslosen einen Frosch aus dem Mund hervorzaubert, sehr zur Verblüffung des umstehenden Publikums. Auch hier lenkt Walter Bosing den Blick des Leser auf ein Detail, das man zunächst gar nicht erfasst – während das Opfer und das Publikum von der erstaunlichen Darbietung abgelenkt sind, stiehlt der Gehilfe des Taschenspielers die Geldbörse des Mannes mit dem Frosch im Mund.

Am faszinierendsten (und auch am bekanntesten) sind sicherlich die ungemein detailreichen Triptychen, die der Maler anfertigte, und die hier in sehr guter Qualität abgedruckt sind. Zu bewundern gibt es unter anderem "Der Heuwagen", "Die Hölle", "Der Garten der Lüste" (Boschs Hauptwerk) und "Das irdische Paradies". Extrem kunstfertig stellt Bosch in seinen Szenen vor allem Biblisches dar, zum Beispiel die Versuchung und Vertreibung Adam und Evas aus dem Paradies, aber auch drastische und sehr fantasievolle Szenen höllischer Qualen, die durch eine Vielzahl grauenhafter Geschöpfe, Dämonen und Fantasiewesen direkt aus einem Albtraum entsprungen zu sein scheinen. Diese Bilder sind kraftvoll, verstörend und vor allem so detailreich, dass sie schon fast einem riesigen Wimmelbild gleichen. Hier ähnelt kein Albtraumgeschöpf dem anderen, gibt es so viele bedeutungsvolle Szenen zu beobachten, dass man aus dem Staunen nicht mehr heraus kommt.

"Bosch – Sämtliche Werke" bietet viel Information und hohe Qualität zu einem unschlagbaren Preis von unter zehn Euro. Der Band ist damit für alle, die sich für den niederländischen Maler interessieren, ein absolutes Muss. Walter Bosing führt den Leser sicher durch die allegorische Bilderwelt Boschs und entschlüsselt dabei vieles aus seinen rätselhaften Werken, das dem Betrachter sonst verborgen bleiben würde.

Blick ins Buch: "Bosch – Sämtliche Gemälde"