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Der prominente Chirurg Nick Cavanaugh führt ein wundervolles und luxuriöses Leben, ist mit einer Krankenschwester namens Anne verlobt und alles könnte perfekt sein ... wäre da nicht Helena, mit der er vor Jahren eine Nacht verbrachte und nie darüber hinkam.
Ein Wiedersehen mit ihr lässt Nick in alte Muster zurückgleiten. Gerade hat er seine Mutter beerdigt und ihr Haus geerbt, da kommt ihm auch schon die Idee, eine große Party zu geben - zu der er natürlich auch Helena einlädt. Diese erscheint, verlässt die Party jedoch auch rasch wieder mit einem Arbeitskollegen von Nick. Doch sie hat ihre Handtasche vergessen und mit einer kleinen List lockt Nick sie zurück in das Haus. Helena ist von seinem Bemühen jedoch nicht lang angetan, verlässt wutschnaubend das Gelände - und wird von einem vorbeifahrenden Auto gerammt.
Nun beginnt es spannend zu werden, denn Nick hat keineswegs einen Krankenwagen gerufen, sondern Helena bei sich daheim die Beine amputiert - und sie ist ihm nun ausgeliefert.
Ein Machtkampf beginnt, in dem Nick ihre Liebe erzwingen, Helena im Gegenzug jedoch ihre Autonomität nicht aufgeben will. In einer der vorkommenden Streitsituationen würgt Helena ihn - und Nick amputiert ihr daraufhin auch die Arme.
Nicks Bemühungen lassen an keiner Stelle nach und er schreckt vor nichts zurück, Helena von seiner Liebe zu überzeugen: Er wirft seine Verlobte hinaus, er holt eine Krankenschwester aus seinem Krankenhaus, um Helena seine Potenz zu demonstrieren und er gibt sogar seinen Posten als Chirurg für sie auf.
Endlich scheinen seine Bemühungen Früchte zu tragen, doch da entdeckt ein Bekannter Helenas ihren Aufenthaltsort und versucht sie zu befreien - es kommt zu einem überraschenden Finale.
Boxing Helena ist nicht einfach nur ein Film, schon gar nicht zur rein trivialen Unterhaltung. Es ist eine Studie und ein Kunstwerk zugleich, das keine Wünsche offenlässt und alle Sinne anspricht.
Gerade die Augen werden natürlich verwöhnt, auch etwa durch hocherotische Szenen am Brunnen oder auch einfach durch die warme und seichte Ausleuchtung bei Nahaufnahmen von Helena, die sie engelsgleich erscheinen lassen.
Die Ohren werden beim Soundtrack ebenso gestreichelt, sei es mit dem Klassiker "Women in chains", der passender nicht sein könnte, oder auch mit bekannten Klängen des klassischen Genre.
Die Gestaltung des Films ist einfach perfekt, wechselt immer wieder die Perspektiven, lässt den Zuschauer jede Szene mitfühlen und ihn sowohl in Nick als auch in Helena schlüpfen.
Es geht um Prägung in der Kindheit, um Abweisung von der Mutter und daraus resultierende Störungen, um Voyeurismus und "Ticks", aber auch um die Definition des Selbst. Helena definiert sich über ihr Aussehen und ihre Schönheit, Nick dagegen misst seinen Wert nicht in seinen Leistungen, sondern in seiner Potenz. Sie nimmt ihm seinen Wert und er tut es umgekehrt mit den Amputationen, einfach ein psychologisches Wechselspiel der Spitzenklasse.
Und zuletzt geht es auch um Emanzipation beider Geschlechter und um Ersatz ... denn Nick wird erst wieder von Helena abhängig, als deren Äquivalent - seine Mutter - verstirbt.
Irritierend wirkt allerdings das VHS-Cover, nach dessen Beschreibung als Skandalfilm des Jahres 1993 und der Angabe eines wahnsinnigen Chirurgen, der zu weit geht, wohl eher ein Thriller oder Splatterfilm erwartet würde. Beiden Genre entspricht der Film tatsächlich allerdings überhaupt nicht.
Als Nick Cavanaugh begegnet dem Zuschauer Julian Sands ("Warlock" oder "Arachnophobia"), als Helena Sherilyn Fenn ("Twin Peaks") und eher in einer Nebenrolle Bill Paxton ("Aliens - Die Rückkehr", "Twister").
Insgesamt ein hervorragender Film, der zwar schon etwas in die Jahre gekommen ist, doch gerade durch seine künstlerischen Aspekte zu überzeugen weiß und bei dem man stets neue Elemente entdecken kann.