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 Bullshit - Jobs

Vom wahren Sinn der Arbeit


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
David Graeber hat vor einigen Jahren mit seinem Buch über die Geschichte der "Schulden" ein gleichermaßen originelles wie lehrreiches Werk vorgelegt, das dem Leser eine Menge neuer Perspektiven bot. Da ist die Erwartungshaltung entsprechend hoch, wenn der anarchistische Philosoph sich die aktuelle Arbeitsgesellschaft vornimmt.

"Bullshit Jobs" ist das Ergebnis eines längeren Studiums des Phänomens sinnloser und überflüssiger Jobs. Entstanden ist sie nach einem Zeitungsartikel Graebers zu dem Thema, auf den er tausendfache Reaktionen von Berufstätigen aus allen möglichen Branchen bekam, die ihm zeigten, wie viele Menschen ihren eigenen Job für überflüssig halten. So hat er sieben Kapitel auf fünfhundert Seiten verfasst, die vor allem den Fragen nachgehen, was "Bullshit Jobs" sind, welche Tätigkeiten darunter fallen und was diese für psychische Auswirkungen auf die Betroffenen haben können und deren politischen Folgen für die Gesellschaft. Ein umfangreicher Anmerkungsapparat und eine Bibliografie ergänzen und belegen den Text.

Graebers neuester Streich erreicht nicht dieselbe Originalität und Einsicht beim Leser wie sein großes Werk "Schulden". Das hat mehrere Gründe. Zum einen war die gut begründete These, Schulden müssen historisch betrachtet nicht immer zurückgezahlt werden und es sei sogar oft besser, einen Schuldenschnitt zu machen, angesichts des Höhepunktes der Schuldenkrise, die mit dem Erscheinen des Buches zusammenfiel, sehr provozierend. Dass viele Jobs sinnlos oder überflüssig sind, haut dagegen kaum jemanden von Hocker, auch wenn Graeber hier an den Fundamenten der Leistungsgesellschaft rüttelt. Zum anderen ist der Text einfach zu lang, zu philosophisch und etwas aufgebläht. Viele Abschnitte scheinen unnötig, und das in einem Buch, das gegen überflüssige Jobs gerichtet ist ...

So ist das Werk zwar sinnvoll gegliedert, von der Frage, was "Bullshit Jobs" sind und was unter diese subsumiert werden könnte, geht es über die Untersuchung davon, was sinnlose Tätigkeiten mit Menschen machen, hin zu der Frage, was die gesellschaftlichen Ursachen und Folgen dieser sinnlosen Beschäftigungen sind. Aber schon die erste Frage wird viel zu ausführlich und redundant beantwortet. Eine Unmenge an Beispielen, die jedes für sich allein zwar gut sind, aber in der Menge nicht gebraucht werden, und viele Differenzierungen, bei denen sich der Leser ebenfalls fragt, braucht es diese wirklich um das behandelte Phänomen kritisch zu erfassen? So unterscheidet der Autor zwischen ganzen, vorwiegenden und teilweisen "Bullshit Jobs" und führt dann zusätzlich noch fünf "Haupttypen" solcher Tätigkeiten ein. Zielführend ist das nicht, geht es letztlich doch nur darum, dass sinnlose Tätigkeiten für Mensch und Gesellschaft schädlich sind.

Nachfolgende Abschnitte sind lesenswerter, weil dort, wenn auch ebenfalls viel zu lang, dann doch das Wesentliche behandelt wird. Es dürfte zwar für kaum einen Leser viel Überraschendes zu lesen sein, aber Graeber ist doch der Erste, der in dieser Systematik und Radikalität unserer Arbeitsgesellschaft, die sich ja so gerne als Leistungsgesellschaft begreift, eine große Fülle an sinnentleerter Tätigkeit bis hin zu bezahltem Nichtstun nachweist. Dass Menschen in solchen Jobs demoralisieren, depressiv werden und jeglichen Sinn ihres Tuns infrage stellen, ist gleichermaßen plausibel wie in vielen Fällen subjektiv wahrnehmbar. Wer kennt keinen Menschen, der seinen Job hasst, weil er unsinnig, schädlich oder langweilig ist und er keinen gesellschaftlichen Nutzen erkennen lässt? Wem fallen nicht auf Anhieb unzählige Produkte oder Dienstleistungen ein, die eigentlich niemand braucht, die es aber gibt, weil für sie ein Markt existiert? Der Leser fragt sich, wie Graeber auch, warum ist das kein großes Thema in Politik und Öffentlichkeit?

In den letzten Abschnitten versucht der Autor philosophische Antworten zu finden, wie es dazu kommen konnte, dass es im Kapitalismus so viele unnütze Jobs geben kann, obwohl doch die Verfechter der Marktwirtschaft genau das für unmöglich halten, da nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage nur Jobs entstehen dürften, die auch einen Sinn haben. Dieses Dogma ist für ihn eine Ursache des Problems, denn es verhindert eine offene Diskussion und Wahrnehmung der Situation. Jeder Job sei an sich gut, laut Dogma, das geht so weit, dass selbst Menschen, die einen "Bullshit Job" ausüben, dies oft nicht zugeben, auch wenn es ihnen bewusst sei. So verknüpft er abschließend, abermals auf zu vielen Seiten, seine Analyse sinnentleerter Tätigkeiten mit den herrschenden Theorien über Kapitalismus, Marktwirtschaft und Arbeitswert.

Nach fünfhundert Seiten hat der Leser dann einiges gelernt über die moderne Arbeitsgesellschaft. Wie im Vorgänger "Schulden" werden einige selbstverständlich scheinende Wahrheiten ausgehebelt und neue Perspektiven in die Diskussion gebracht. Abermals gebührt Graeber der Dank, zu einem wichtigen Thema eine breite öffentliche Debatte ausgelöst zu haben. Allerdings sind die wesentlichen Gedanken und Thesen diesmal mit einem deutlichen Überschuss an Text und philosophischem Analysieren überfrachtet. Manche Themen brauchen eben keine 500 Seiten ...

Andreas Schmidt



Hardcover | Erschienen: 13. Januar 2019 | ISBN: 9783608981087 | Preis: 26,00 Euro | 464 Seiten | Sprache: Deutsch

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