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Giacomo Casanova, der auch heute noch wegen seiner zahlreichen Liebschaften bekannt ist, kehrt fast zwanzig Jahre, nachdem ihm die Flucht aus den legendären „Bleikammern“ Venedigs gelungen ist, wieder in seine Heimatstadt zurück. Und wen wundert es: Natürlich beginnt er sofort wieder eine beziehungsweise zwei Liebschaften mit zwei Schwestern, die gemeinsam etwa so alt sind wie er.
Aber im Gegensatz zu dem jungen Casanova konzentriert sich der mittlerweile 50-Jährige nicht nur auf die Gegenwart und genießt ausschließlich seine Liaisons, sondern beschäftigt sich ausgiebig mit seiner Vergangenheit und grübelt darüber nach, was das Leben noch für ihn zu bieten hat.
Der Roman spielt an nur einem Tag, dem 2. April 1775, und beginnt und endet, wie kann es auch bei dem langsam älter werdenden Casanova anders sein, mit Geschichten über seine beiden Liebschaften. Haupthandlung des Buches sind zwei ausgedehnte Spaziergänge, die er an diesem Tag in Begleitung seines jugendlichen Freundes Cesare quer durch Venedig unternimmt. Ziel dieser Spaziergänge ist es, endlich herauszufinden, wer ihn vor knapp 20 Jahren verraten und in die „Bleikammern“ gebracht hat.
Der Leser kann diesen Spaziergägen anhand eines Stadtplanes des 18. Jahrhunderts folgen, den Klaus Seehafer gleich zweimal in dem Buch abgedruckt hat. Damit sich auch ein Leser, der sich bisher noch nicht mit dem Leben Casanovas beschäftigt hat, einen Überblick über dessen Wirken verschaffen kann, ist eine Zeittafel seines insgesamt 73-jährigen Lebens in dem Buch veröffentlicht. Schnell erkennt man, dass Casanova nicht nur ein liebenswerter Frauenheld war, sondern auch ein sehr intelligenter Mensch, der sich auch viel mit der Dichtkunst und philosophischen Fragen beschäftigt hat.
Die grobe Kenntnis seines Lebenslaufs hilft, den zahlreichen Ausführungen, die Casanova während des Spaziergangs mit seinem Freund macht, zu verstehen. Auf seinem Spaziergang trifft er alte und neue Freunde und immer wieder ereilt einem das Gefühl, ein Theater, dessen Inhalt, Hauptdarsteller und Regisseur Giacomo Casanova ist, vorgespielt zu kommen.
Klaus Seehafer vermittelt den Eindruck, dass er sich intensiv mit dem Venedig des 18. Jahrhunderts auseinandergesetzt hat. Die Sitten und Gebräuche werden sehr detailgenau beschrieben und man hat das Gefühl, mitten im Geschehen dabei zu sein. Aber auch die einzelnen Wege und Gebäude sind dem Autor offensichtlich nicht fremd.
Natürlich darf auch der Humor nicht fehlen - die Tatsache, dass die Ausführungen Casanovas seinem jungen Freund öfters die Röte ins Gesicht treiben. Oder die fast kindliche Art, wie er sich für das Treffen mit einer der beiden Geliebten verabredet – ein kleiner Zettel in einem Brötchen versteckt. Das zaubert dem Leser schon hier und da ein Schmunzeln ins Gesicht.
Ein Roman über eine historische Figur, die genau so dargestellt wird, wie sie offensichtlich im wirklichen Leben auch war. Ein Dichter und Philosoph, mit einer weiteren ganz großen Leidenschaft – Frauen. Die Tatsache, dass er sowohl seinen Beruf als auch seine große Leidenschaft richtig ausgelebt hat, hat Casanova zu einer bis heute berühmt-berüchtigten Person werden lassen, wobei bei vielen lediglich seine große Leidenschaft bekannt ist.
Im Roman wird Casanova als ein sehr sensibler Charakter dargestellt, der nichts Unüberlegtes tut. Während sich die einzelnen Stationen seines Lebens historisch leicht nachvollziehen lassen, ist es schwieriger zu beurteilen, ob sich Casanova wirklich zu allen Fragen der Gesellschaft immer die hier beschriebenen Gedanken gemacht hat und wie viel der Autor beigesteuert hat. Aber die Fragen nach dem Sinn des Lebens, die der alternde Liebhaber immer wieder aufwirft, sind Fragen, die auch heute noch die Menschheit beschäftigen.
Ein Buch, das man jedem empfehlen kann, der sich für die Geschichte Venedigs im 18. Jahrhundert und speziell für das Leben Casanovas interessiert.