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Der kleine Charlie Bucket lebt zusammen mit seinen Großeltern und seinen Eltern in einem winzigen Haus am Rande einer großen Stadt. Die Familie ist so arm, dass sie sich nicht einmal ein zweites Bett leisten kann, geschweige denn genug zu essen.
Nur ein einziges Mal im Jahr erhält Charlie an seinem Geburtstag eine kleine Tafel Schokolade, die er sich wochenlang aufspart. Wie ein Schatten thront über der Stadt, in der der Junge zuhause ist, die riesige Schokoladenfabrik von Willy Wonka. In dieser Fabrik werden die wunderbarsten Süßigkeiten der Welt hergestellt - Schokoladeneis, das nicht schmilzt, Kaugummi, der niemals den Geschmack verliert, und Bonbons, die man zu Luftballons aufblasen kann.
In die mysteriöse Fabrik sieht man, trotz großer Betriebsamkeit, nie auch nur einen einzigen Arbeiter ein- oder ausgehen. Wie es im Inneren des Gebäudes aussieht und wie die Schokolade hergestellt wird, hat niemals jemand gesehen, und deshalb ist die Aufregung groß, als in der Zeitung verkündet wird: Willy Wonka, der Besitzer der Fabrik, hat fünf goldene Eintrittskarten in fünf Schokoladentafeln auf der ganzen Welt versteckt. Die fünf Kinder, die diese Karten finden, dürfen die sagenhafte Schokoladenfabrik von innen besichtigen und bekommen anschließend Süßigkeiten bis ans Ende ihres Lebens - umsonst natürlich.
Doch bis es so weit ist, bis Charlie seine goldene Eintrittskarte findet, spannt Dahl den Leser gehörig auf die Folter. Die Familie Bucket muss fast verhungern, bis das Schicksal ein Einsehen hat und Charlie unfassbares Glück in Form einer gefundenen Dollar-Note beschert. Wie bis dahin die Familie versucht, entgegen aller Hoffnung und Vernunft eine Eintrittskarte zu finden, wie sich die uralten Großeltern um Charlie scharen, während er eine Schokoladentafel auswickelt - das ist rührend und dürfte vor allem für kleine Zuhörer eine harte Geduldsprobe sein. Und was danach kommt, wie es im Inneren der Schokoladenfabrik aussieht - das soll der Leser selbst herausfinden ...
Wenn ein bitterarmer kleiner Junge, der nie bekommt, was er sich wünscht, auf einmal eine Eintrittskarte fände, die ihm den Zutritt ins Reich seiner sehnlichsten Wünsche gewähren würde - ist das nicht ein wunderbares Märchen? Dieses Märchen erzählt uns Roald Dahl in "Charlie und die Schokoladenfabrik". Die Geschichte wurde erst kürzlich mit Johnny Depp in der Rolle des exzentrischen Schokoladenfabrikanten Willy Wonka und unter der Regie von Tim Burton verfilmt. Diese Rezension behandelt das Hörbuch, erschienen im Hörverlag. Es umfasst drei Audio-CDs und ist eine komplette, ungekürzte Fassung des Buches.
Roald Dahl, leider 1990 verstorben, war ein großartiger Autor. Neben zahlreichen rabenschwarzen Kurzgeschichten hat er auch mehrere preisgekrönte Geschichten für Kinder verfasst (zum Beispiel "Mathilda", "Hexen hexen" und "James und der Riesenpfirsich"). Seine große Stärke ist, die Kinder ernst zu nehmen und sich in ihre Wünsche und Träume ohne Erwachsenen-Moral, ohne erhobenen Zeigefinger hineinversetzen zu können.
Dahl erzählt Charlies Geschichte mit großer Leichtigkeit, als würden ihm die richtigen Worte geradezu in den Schoß fallen, und der Vorleser Ulrich Noethen greift dies auf und liest dankenswerterweise einfach gut, ohne Schnickschnack oder langweilige Stellen. Bedächtig erzählt er, mit dezent verstellten Stimmen und perfekter Betonung, so dass das Zuhören wirklich ein Genuss ist, auch wenn Noethens Stimme zunächst unspektakulär erscheint.
Roald Dahl erzählt hier jedoch nicht nur ein seichtes Märchen: Hinter all der Schokolade, hinter den Kinderträumen von unbegrenzten Süßigkeiten, steckt handfeste Kritik. Die anderen vier Finder der goldenen Eintrittskarten zu Willy Wonkas Schokoladenfabrik sind allesamt verzogene Gören, verfettet, fernsehsüchtig und ungezogen. Ihre Eltern könnten ihnen jeden Tag Tonnen von Schokolade kaufen, und deshalb wissen die kleinen Monster die goldene Eintrittskarte natürlich nicht zu schätzen. Der Autor hat die vier unausstehlichen Kinder in seiner bewährten Art stark überzeichnet; wie Comicfiguren sind sie, so dass der Zuhörer vor vergnügter Abneigung oft schmunzeln muss.
Dahl wäre nicht Dahl, würde er diese Kinder einfach ungeschoren davonkommen lassen. Tatsächlich ereignen sich in der Schokoladenfabrik eine Reihe sehr merkwürdiger Dinge, welche die ungezogenen Kinder für immer verändern dürften ... Ganz im Stil von Erich Kästners Versen ("Das verhexte Telefon") gibt der Autor hier seinen (pädagogischen) Senf dazu, aber nicht in aufdringlicher Form, sondern in humorvollen Reimen.
Insgesamt bedient sich Dahl ausgiebig plakativer Darstellungen - der arme Vater von Charlie arbeitet als schlecht bezahlter Zahnpasta-Tuben-Zudreher in einer Fabrik, die herzensguten Großeltern liegen den ganzen Tag im einzigen Bett der Familie und erzählen ihrem geliebten Enkel Abend für Abend Geschichten. Erstaunlicherweise tun diese Klischees dem Buch sehr gut, weil Dahl sie gezielt und mit einem Augenzwinkern einsetzt und so beim Zuhören äußerst lebendige Bilder erzeugt.
Roald Dahl verfällt in dieser Geschichte, obwohl es sich ja im Grunde genommen um ein Schokoladenmärchen handelt, nie ins Klebrige, zu Süße - er bleibt immer unterhaltsam, bisweilen komisch und auf Dahlsche Art skurril. Eine herzerwärmende Geschichte, die Kindern und Erwachsenen großen Spaß macht. Ein richtiger Geheimtipp!