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Fans von Zugspielen können sich über das aktuelle Angebot wahrlich nicht beklagen. Wer es simpel möchte, sieht sich mit dem großen Kanon der "Zug um Zug"-Reihe konfrontiert, Strategen spielen das tolle "Railroad Tycoon" oder freuen sich über die Neuauflage von Martin Wallace "Age of Steam" oder sein neues Spiel "Steel Driver". Und wem das noch nicht genug ist, der verbringt viele Stunden mit einem Spiel der "18xx"-Reihe. Und doch versucht "Chicago Express" noch eine Lücke zu füllen, da es einerseits nur unwesentlich anspruchsvoller ist als "Zug um Zug", jedoch selbst Profis Probleme haben werden, dieses Spiel zu durchschauen.
Die nächste Verwandtschaft von "Chicago Express" besteht aber interessanterweise zum superben Kriegs-/Wirtschaftsspiel "Imperial", schließlich geht es auch hier darum, dass Spieler Aktien zu verschiedenen Gesellschaften erwerben, um diese dann auf dem Brett steuern zu können und zum Schluss das meiste Geld zu machen.
Dabei fängt alles an der Ostküste an, wo vier unterschiedliche Eisenbahnunternehmen bereits in ihren Startlöchern sitzen. Zu Beginn des Spiels wird von jeder dieser Gesellschaften eine Aktie versteigert, danach haben die Spieler reihum immer wieder die Wahl zwischen drei verschiedenen Aktionen: Sie können eine neue Aktie zur Versteigerung anbieten oder das Schienennetz einer Gesellschaft, in die sie investiert haben, ausbauen oder sie können ein Feld auf dem Spielplan entwickeln. Das Ausbauen des Schienennetzes kostet die Gesellschaften Geld, welches über die Versteigerung von Aktien in ihre Kasse gespült wird, und der Anschluss neuer Städte erhöht das Einkommen des Unternehmens. Denn jede der drei Aktionen steht nur begrenzt oft zur Verfügung, und sobald zwei von ihnen aufgebraucht wurden, gibt es eine Dividendenauszahlung. Je nachdem wie weit sich die Gesellschaften bereits entwickelt haben, erhalten die Spieler nun für jede ihrer Aktien Geld ausgezahlt. Danach beginnt eine neue Runde, in der alle Aktionen wieder zur Verfügung stehen.
Dabei versuchen die Unternehmen vor allem Chicago im Westen des Spielplans zu erreichen, schließlich gibt es dort eine lukrative Sonderausschüttung. Doch je besser eine Gesellschaft abschneidet, desto mehr Spieler möchten an den Aktien dieses Unternehmens teilhaben. Und hier gibt es Unterschiede zwischen den Gesellschaften, so hat die Pennsylvania Railroad Company etwa nur insgesamt drei Wertpapiere, während man bei der Chesapeake & Ohio gleich sechs Aktien erstehen kann.
Was von den Regeln her sehr simpel gehalten und schnell zu begreifen ist, sorgt in der Praxis trotzdem für Verwirrung. Während der ersten Partien wird man noch keine Ahnung haben, wie dieses Spiel zu steuern ist, wie viel Geld einzelne Aktien wert sind und wie rasch eine Partie enden kann. Und nach einem Dutzend Partien ist man sich immer noch nicht ganz sicher, auch wenn man dann keine groben Fehler mehr begeht. Im Grunde geht man in "Chicago Express" indirekte Allianzen mit anderen Spielern ein - wenn zwei einen gleichwertigen Anteil an einer Linie haben, liegt es in ihrer beider Interesse, diese möglichst weit zu entwickeln. Sobald jedoch einer die Mehrheit an Wertpapieren besitzt, muss er aufpassen, dass sein Partner die Gesellschaft durch sinnloses Bauen nicht noch in eine Sackgasse fährt. Durch die begrenzte Anzahl an Aktionen pro Runde können sich die Spieler außerdem geschickt gegenseitig ausmanövrieren - doch dafür braucht es zunächst ein bisschen Erfahrung.
Klingt erstmal so, als wäre "Chicago Express" ein ideales Spiel für eine breite Zielgruppe, da es leicht zu lernen, doch schwer zu meistern ist und nur selten deutlich länger als eine Stunde dauert. Dennoch eignet es sich nur für Strategen, die nicht genug Zeit für eine Runde "Age of Steam" haben, da Bietschlachten und Aktiendividenden wohl doch nicht jedermanns Sache sein dürften. Und selbst dann macht "Chicago Express" nur in einer Gruppe mit erfahrenen Spielern wirklich Spaß, da Anfänger schnell in Stolperfallen wie das Überbieten auf eine Aktie, das plötzliche Spielende oder das Blockieren einer anderen Eisenbahnlinie tapsen können und dann schnell zurückfallen.
Wie immer bei Queen Games ist die Ausstattung des Spiels ausgezeichnet, der Spielplan von Michael Menzel mal wieder schön gestaltet. Die dicke Box enttäuscht trotzdem dadurch, dass sie neben vielen Holzzügen in erster Linie Luft als Inhalt hat. Bei der angegebenen Spielerzahl von 2 - 6 sollte man ebenfalls Vorsicht walten lassen - zu zweit ist das Spiel eher fad, zu sechst lässt es sich kaum mehr richtig steuern. "Chicago Express" hat eigentlich enormes Potential - doch leider entfaltet es dies nur in der richtigen Runde.