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 Come Bury Me


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Sie klingt wie ein überzeichnetes Märchen mit bösem Ende – die Geschichte, die am Ende von Andrej Krementschouks Fotoband "Come Bury Me" steht. Der russisch-deutsche Fotograf kommt am Bahnhof der russischen Stadt N. mit einigen Obdachlosen ins Gespräch und wird von einer von ihnen in ein elendes Haus am Rand eines kleinen Ortes geführt, wo ihre Cousine lebt. In dieser unsäglich schmutzigen Behausung lebt eine bunte Mischung von Menschen und Haustieren, die das Schicksal zusammengeführt hat, zusammen mit Unmengen Kakerlaken.
Im Lauf der Zeit besucht der Fotograf diese Wohnstatt mehrmals und fotografiert die Bewohner, wie sie feiern, sich unterhalten und lebhaft ihre meist hanebüchenen "Biografien" erzählen. Als er eines Tages erneut zu einer Stippvisite eintrifft, ist das Haus abgebrannt, und der Ort hüllt sich in Schweigen.
Insgesamt 49 Fotos erzählen die verstörende Geschichte einer kleinen, außergewöhnlichen Gemeinschaft.

Ohne Einführung stößt der Betrachter sofort auf die befremdlich anmutenden Fotos einer aus Sicht des Westlers und wohl auch der meisten "in geordneten Verhältnissen" lebenden Einheimischen asozialen Wohngemeinschaft. Die Bilder fügen sich ohne Rand exakt in die jeweils rechten Seiten, die linken sind bis auf die laufenden Nummern der Fotos weiß. Nach dem Ansehen einiger Fotos werden die Personen, die Katzen, die Ratte und der Hund vertraut, man erkennt Details der heruntergekommenen Einrichtung in nachfolgenden Bildern wieder.
Dann, am Ende der Bilderstrecke angelangt, liest man die dazugehörige Geschichte in englischer Sprache, an die sich noch einige Bilder des abgebrannten Hauses und seiner Umgebung anschließen. Der Fotograf erzählt sie anrührend, doch nicht zu emotional, und plötzlich versteht der Betrachter die Interaktionen der Personen, ihre Beziehung zueinander, die tiefe Hoffnungslosigkeit in den Gesichtern, die auch Momente der Zärtlichkeit insbesondere den Tieren gegenüber nicht tilgen können. Und man muss die Fotos noch einmal ansehen und auch noch ein drittes Mal, begreift die Narben von Selbstverletzungen, die gelbe Gesichtsfarbe einer Person und viele andere auf den ersten Blick irritierende Details. Da, wie erwähnt, unmittelbar neben den Fotos Erläuterungen fehlen, ist der Betrachter gezwungen, sich intensiv mit den Bildern auseinanderzusetzen, um sie zu verstehen und zu verarbeiten.
Die Fotos sind sämtlich in Farbe und aus wechselnden Perspektiven gemacht. Meisterlich versteht es Krementschouk, Schärfe und Unschärfe immer wieder überraschend einzusetzen, aussagestarke, mitunter abstoßende Einzelheiten herauszuarbeiten, mit verschiedenen teils so einfachen wie genialen Techniken verblüffende Effekte zu erzielen und die Geschichte einer verschworenen Gemeinschaft von eigentlich Hoffnungslosen schonungslos – auf den Betrachter bezogen – offenzulegen, ohne jemals die Würde der fotografierten Personen anzugreifen. Denn genau um sie geht es, um Menschlichkeit inmitten eines für Westeuropäer unvorstellbaren Elends. Das so genannte Asoziale erhält Gesichter, vereinzelt Namen.
Der Band ist ganz schlicht gehalten im Stil eines alten, in (natürlich hochwertigen) grauen Karton gebundenen Fotoalbums. Auch das Innenleben besticht durch Understatement.

Ein außergewöhnlicher Fotoband, sozialkritisch ohne erzieherischen Anspruch, eine eindrucksvolle Foto-Doku mit hohem inhaltlichem und künstlerischem Anspruch. Sehr empfehlenswert!

Einen Blick ins Buch bietet der Kehrer Verlag auf seiner Website an: "Come Bury Me"

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 1. August 2010 | ISBN: 9783868281200 | Preis: 36,00 Euro | 80 Seiten | Sprache: Englisch

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