Sergei Polunin - Das Wunderkind des Ballets, das größte Talent seit Nurjew. Wieso nur will dieser Ausnahmekünstler, dessen Stern so hell strahlt, nicht mehr tanzen? Der jüngste Solist, der je im Londoner Royal Ballet aufgetreten ist, will nicht mehr weitermachen und schafft es doch, mit seinem letzten Video die Massen zu begeistern. Wer ist der Mensch hinter dem Tänzer und wie kam es dazu, dass er mit seinem Talent haderte? Die Dokumentation "Dancer - Bad Boy of Ballet" erzählt seinen Werdegang und schaut hinter die Kulissen einer außergewöhnlichen Karriere.
Als Sergei Polunin dem breiten Publikum durch sein Video zu Hoziers "Take me to church" bekannt wurde, war seine Karriere eigentlich schon vorbei. Dieser Tanz war der Abschied von seinen Fans, der Ballettszene und seiner Vergangenheit, denn Polunin hatte zu diesem Zeitpunkt alles erreicht, was ihm möglich war. Seit seinem vierten Lebensjahr hatte er trainiert, Kritiker und Publikum weltweit begeistert, doch der Preis dafür war hoch. Der junge Star war ausgebrannt.
Wie es dazu kam, erzählt "Dancer - Bad Boy of Ballet". Die Dokumentation zeichnet Polunins Lebensweg nach, von der armen, aber glücklichen Kindheit in der ukrainischen Hafenstadt Kherson bis zum Starruhm in London, wo er der jüngste Tänzer für die Hauptrolle im Royal Ballet wurde, bis zu seinem Werdegang nach dem Video, welches so viele Menschen inspirierte.
Private Videoaufnahmen der Familie ermöglichen dem Zuschauer einen ungewöhnlich vertrauten Blick auf die Laufbahn des Künstlers und die Auswirkungen, die sein Talent auf das Leben der Familie hatte. Gleich zu Beginn wird klar, dass seine Eltern und Großeltern alles getan haben, um ihm ein besseres Leben zu ermöglichen und ihn zu fördern, so sehr es nur ging. Allerdings war dies eben auch ein zweischneidiges Schwert. Zwar überstrahlt das Talent des Jungen jede nur mögliche Konkurrenz, doch die Familie zerbricht daran, dass die Eltern sich trennen, um das Schulgeld zu verdienen. Sergej wird so zwar in London unterrichtet, ist dadurch aber bereits mit dreizehn Jahren auf sich alleine gestellt. Wie sehr ihn das getroffen hat, ist zu merken, wenn er erzählt, dass er seine Eltern gebeten hat, ihn niemals tanzen zu sehen. Polunin übt seine Kritik indes nur äußerst zurückhaltend. Immer ist er sehr darauf bedacht, niemanden zu kränken, doch er macht auch klar, wie unglücklich er teilweise war.
Es dauert noch Jahre, in denen er als bester Tänzer seiner Generation gefeiert wird, alles erreicht, was nur möglich ist, bis er nicht mehr will. Für Außenstehende völlig überraschend entschließt sich Sergei Polunin, nicht mehr als Haupttänzer im Royal Ballet aufzutreten, sondern etwas Neues zu versuchen. Sein Wunsch, in die USA zu gehen, erfüllt sich nicht; stattdessen muss er sich in Russland eine Karriere aufbauen und als dies gelingt, findet er sich schnell in der gleichen Routine wieder, die ihn so erschöpft hat. Der Abschied vom Ballett scheint unausweichlich und so soll ein letzter Tanz ausdrücken, wie zerrissen der junge Mann sich fühlt.
Während des gesamten, mehr als einstündigen Porträts bleibt die Kamera nah bei Sergei Polunin, überschreitet aber niemals die Grenze zum Voyerismus. Vielmehr lebt der Film von der leisen und sensiblen Annäherung nicht nur an den Künstler, sondern an den sehr verletzlichen Menschen Polunin, wodurch die gewonnen Eindrücke Ehrlichkeit vermitteln und den Zuschauer berühren.
Sich der Faszination von "Dancer – Bad Boy of Ballet" zu entziehen, ist unmöglich und das ist gut so. Es wäre ungemein schade eine so bemerkenswert gelungene Dokumentation zu verpassen.