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Die Horror-Anthologie „Dark Delicacies“ ist schon allein deshalb eine besondere Zusammenstellung, weil sie ursprünglich von dem gleichnamigen, auf Horror spezialisierten Buchladen in Burbank, Kalifornien, herausgegeben wurde (wer zumindest virtuell in diesem Laden stöbern möchte, kann dies auf der Website
www.darkdel.com tun). Nun ist der Band bei Festa auch auf Deutsch erschienen. Die Kurzgeschichtensammlung war in den USA bereits ein voller Erfolg und erhielt den Bram Stoker Award, was nicht zuletzt an den illustren Autoren liegt, die sich hier zu einem Stelldichein versammelt haben. Das Cover und die Inhaltsangabe lesen sich wie ein Who-is-Who des Horror- und Phantastik-Genres: Ray Bradbury, F. Paul Wilson oder Clive Barker sind ebensolche schriftstellerischen Schwergewichte wie Brian Lumley, Richard Laymon oder William F. Nolan.
Insgesamt 19 Kurzgeschichten beinhaltet der düstere Band (hinzu kommen noch ein Vor- und ein Nachwort sowie eine kurze Einleitung), und der Schwerpunkt liegt bei allen mehr oder weniger auf Horror oder doch zumindest auf Düsternis und Wahnsinn. Hier ein Auszug der vertretenen Geschichten, um einen Eindruck von der Vielfalt zu vermitteln:
Während Ray Bradburys Erzählung „Der Wiedergeborene“ – die erste Geschichte im Band – zwar keinerlei plakativen Horror verströmt und eher sperrig bleibt, ist die darauffolgende Geschichte „Die Black Mill Bucht“ eine klassische Gruselgeschichte von Terror und nächtlicher Angst: Ein Taucher, der zu früher Stunde einen menschlichen Arm aus einem Wasserbecken am Meer zieht, ahnt noch nicht, dass das wahre Grauen erst kommen soll …
In „Ein Teil des Spiels“ lebt F. Paul Wilson, vor allem bekannt durch seine „Handyman Jack“-Romane, auf ziemlich fiese Weise die Lust am Erzählen aus: Ein Cop mischt sich unvorsichtigerweise in die illegalen Geschäfte in Chinatown ein. Doch die chinesische Glücksspielmafia lässt sich das nicht gefallen und bereitet dem armen Mann eine furchtbare Überraschung …
In „Des Verstandes beraubt“ aus der Feder von Roberta Lanes macht ein angesehener Psychiater eine seltsame Verwandlung durch und ertappt sich immer wieder bei Handlungen, die weder mit seinem Charakter noch mit seiner Berufsethik zu vereinbaren sind …
„Mein seltsamer Freitag“ von Brian Lumley spielt in der Zukunft und erzählt in Tagebuchform die Geschichte eines auf einem einsamen Planeten Gestrandeten – aber ist der Planet wirklich so einsam wie gedacht?
„Die Verkündigung“ von Ramsey Campbell ist ein schönes Lehrstück von (zuerst) undurchsichtigem Wahnsinn, eine Geschichte, die sich auf geniale Weise selbst in den Schwanz beißt und am Ende durchaus Sinn ergibt.
„Am Stadtrand“ von Gahan Wilson erinnert entfernt an die Werke von H.P. Lovecraft – woher nimmt der begabte Maler in dieser Erzählung nur seine düstere Inspiration?
„Blutige Angelegenheiten“ von Steve Niles ist eine wahnwitzige, sehr unterhaltsame und vor allem sehr ekelerregende Geschichte über einen coolen Ermittler, der sich plötzlich in den Händen eines Hillbilly-Kannibalen wiederfindet. Ultraspannend, aber nichts für sensible Gemüter!
Diese und andere Erzählungen ergeben eine wunderbar kurzweilige Mischung für Fans von Horror und Phantastik. Allerdings sollte klar sein, dass es sich hier nicht um eine Sammlung des plakativen Horrors handelt. Bis auf wenige Ausnahmen – etwa „Blutige Angelegenheiten“ – geht es relativ zahm zu, oft ergibt sich der Horror nur rückblickend aus der Pointe am Ende oder aus leisen Andeutungen, die für eine düstere Atmosphäre sorgen. Ein häufiges Thema sind Verwandlungen – seien es tatsächliche Metamorphosen oder rein geistige Verwandlungen in die Welt des Wahnsinns. Die Qualität der Geschichten ist, wie es für eine solche Sammlung logisch ist, durchwachsen. Manche sind ausgesprochen gut, andere können zumindest inhaltlich nur bedingt überzeugen und sind im Nachhinein etwas enttäuschend (etwa „DePompa“ von William F. Nolan). Stilistisch sind aber alle Stories von guter Qualität und vor allem machen sie gerade durch ihre völlig unterschiedlichen Stile so viel Spaß.
In dieser sorgfältig zusammengestellten, anspruchsvollen Anthologie, in der sich die Größen des Genres quasi die Klinke in die Hand geben, findet garantiert jeder Leser etwas, das ihm gefällt!