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Mr. Hiram B. Otis und seine Familie erwerben Schloss Canterville. Sie missachten die Warnungen von Lord Canterville, dass seit 1584 ein Vorfahre von ihm dort als Gespenst umgeht.
Neben dem amerikanischen Gesandten ziehen seine Frau, sein Sohn Washington, seine fünfzehnjährige Tochter Virginia und die Zwillinge dort ein. Unerschrocken und modern wie die Familie Otis nun mal ist, ignorieren sie zunächst alle Warnungen. Als sie das Gespenst, Sir Simon de Canterville, des Nachts tatsächlich antreffen, reagieren sie wiederum wie es ihre Art ist: unbekümmert.
Hiram B. Otis bietet dem Gespenst Maschinenöl an, damit die Ketten nicht mehr rasseln, die Zwillinge erschrecken das Gespenst, ärgern es wo sie nur können und machen ihm das "Leben" zur Hölle, die Frau des Botschafters und Virginia, die Tochter bedauern es und Washington begegnet ihm mit höflichem Interesse und Neugier.
Das ist zuviel für den armen Sir Simon. Voller Trübsal schließt er sich in seiner geheimen Kammer ein und sinnt darüber nach, wie er diesen Amerikanern beikommen kann. Er plant einen letzten, großen und furchterregenden Auftritt, der diese Ungläubigen ein für alle Mal aus seinem Schloss vertreiben soll.
In Wahrheit aber sehnt sich Sir Simon de Canterville nur nach einem: Er will schlafen. Er möchte in weicher, brauner Erde in seinem Grab liegen und für immer schlafen.
1887 erschien eines der ersten Werke von Oskar Wilde, "Das Gespenst von Canterville". Die Geschichte des Mörders de Canterville, aus Rache eingemauert vom Schwager und elendiglich verhungert, zur Sühne verdammt dazu, als Gespenst im Schloss umherzustreifen bis in alle Ewigkeit, wurde unzählige Male in Buchform herausgebracht. Mehr oder minder gekürzt und verändert verfilmt (unvergessen Charles Laughton), als Hörbuch vertont und nun in vereinfachter, gekürzter Version als Nacherzählung in der Reihe "Kinderbuchklassiker" des Coppenrath-Verlags für Kinder editiert.
Neben dem unauffälligen Text, der sich einfach und klar lesen lässt, vieles Überflüssige der Originalversion weglässt und sich - ohne Verfälschungen - auf das Wesentliche konzentriert, fallen vor allem die Bilder von Stephen Pricken auf.
Diese Bilder sind der eigentliche Beitrag, der aus der Geschichte eine Kinder-Version werden lässt. Bereits auf dem Einband ist das Gespenst Sir Simon de Canterville als netter, etwas trauriger, bärtiger Mann zu sehen, der einzig durch seine bläuliche Farbe an einen Geist erinnert. Ansonsten könnte es der liebe Onkel von nebenan sein. Kein Mörder oder verruchter tückischer Racheengel ist zu sehen, sondern ein netter alter Mann. Auch Schloss und Park sind nett und angenehm, eine Rose, der Vollmond und die wenigen Sterne machen die Szenerie zu einer Idylle.
Verstärkt wird der Eindruck des Freundlichen, ja fast niedlichen Gespenstes durch die samtenen blauen Einband-Applikationen. Sie machen die Intention, eine nette, liebe Geschichte erzählen zu wollen, fühl- und tastbar.
Diese offensichtliche "Vergewaltigung" der Vorlage von Oskar Wilde ist im Sinne der Zielgruppe, Kinder von sieben bis zwölf Jahren, gelungen. Sämtliche Bilder strahlen eine Atmosphäre der Stille, Genügsamkeit und des Friedens aus. Auch die Familie, die Angestellten, die Gegenstände sind fast comichaft nett. Diese Überzeichnung ist allerdings in höchstem Maße Geschmacksache. Liebhaber des Buches von Oskar Wilde wenden sich mit Schaudern ab. Erwachsene, die die Geschichte ihren Kindern vorlesen, meiden die nähere Betrachtung der Bilder. Die Kinder hingegen, wenden sich sehr oft vom Text ab und den Bildern zu. Sie sind gefangen von Stil und Farbe, Detailverliebtheit und Anmutung.
Fazit: Für Kinder gemacht und nur für Kinder geeignet - diese Warnung sollte auf dem Einband stehen. Die wenigsten Erwachsenen werden mit dem gekürzten Text und den Bildern etwas anfangen können, die meisten Kinder aber werden hellauf begeistert sein. Wenn sie diese Warnung beherzigen, kann eigentlich beim Kauf dieses Buches nichts schief gehen - oder eben dem Nichtkauf.