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Ein Haus, das von innen größer ist als von außen. Gänge und Treppenhäuser, die sich verlängern, verformen und ein grauenhaftes Eigenleben entwickeln. Ein Dokumentarfilm, der in diesem Haus spielt und von so beklemmender Intensität ist, das einen die Bilder noch jahrelang verfolgen. Und ein Manuskript, das sich mit diesem Film beschäftigt und den Taugenichts Johnny Truant in seinen Bann schlägt ... so sehr, dass er kaum mehr an etwas anderes denken kann.
Mark Z. Danielewski, ein junger US-Amerikaner, hat mit seinem Erstling "House of Leaves" einiges riskiert. Es ist ein sperriges, unbequemes Buch, das schon durch seine Optik fasziniert - oder abstößt, je nach Lesegewohnheit. Denn der Roman, in dem die verschiedenen Handlungsstränge geschickt miteinander verschachtelt sind (das Manuskript des seltsamen Zampanó, die Sinnsuche Johnny Truants, das Schicksal des Dokumentarfilmers Will Nadvison, der in das Haus einzieht und seine Erkundung der dortigen Schrecken filmisch festhält), präsentiert sich als typographisches Experiment. Da stehen manche Seiten auf dem Kopf, Schrifttypen wechseln sich wild ab, Fußnoten kommentieren die Handlung, Worte werden auseinandergezogen oder zusammengedrückt, Sätze sind durchgestrichen, ausgemerzt oder so dünn gedruckt, das sie sich kaum lesen lassen. So ergibt sich eine zweite Ebene des Texts, der die Verwirrungen der Protagonisten, ihre Alpträume und Abschweifungen auch für den Leser nachvollziehbar macht. Sprachlich beherrscht Danielewski eine große Bandbreite an Stimmen, von schnoddriger Gossensprache bis lyrischer Verträumtheit - abrupte Wechsel inklusive.
Warum das Buch letztlich nicht ganz überzeugen kann, liegt eventuell an der immensen Textmasse. Fast 800 Seiten stark ist die deutsche Ausgabe von "House of Leaves", und oft kommt die Handlung nicht so schnell voran, wie man es sich wünschen würde. Danielewskis mutiges Experiment trägt zwar über weite Strecken, doch gelegentliche Durststrecken und Wiederholungen machen es dem Leser nicht leicht. Eine Verdichtung hätte dem Roman zweifellos gut getan. Dennoch muß man dem Autor für seinen Wagemut und seine stilistische Vielfalt Respekt zollen. Das gilt auch für die überzeugende Übersetzung (Christa Schuenke) und den Satz (Ronald Hoppe), die dieses ungewöhnliche Buch adäquat ins Deutsche übertragen haben. Eine der originellsten Neuerscheinungen der vergangenen Monate, die sich experimentierfreudige Phantastikleser nicht entgehen lassen sollten.