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Adrian ist, wenn man es ehrlich ausspricht, beschissen dran. Er ist sechzehn, das ist für viele Jugendliche an sich schon eine schwere Zeit, aber Adrian ist sterbenskrank. Er trägt einen bösartigen Hirntumor in seinem Kopf. Seine Eltern haben sich dazu entschlossen, mit ihm aufs Land zu ziehen und so landen sie in St. Irais. Ihr neues Zuhause ist ein kleines Cottage, das im Schatten eines großen, stark verfallenen Herrenhauses steht - im Schatten von Heathcote Manor. Adrian hat Anfälle, kommt im Großen und Ganzen aber recht gut mit seiner Situation zurecht. Seinen Ärzten hat er verschwiegen, dass er weiterhin halluziniert. Er sieht immer wieder verschiedene Personen, die sich mit ihm unterhalten. Also behält er deren Existenz für sich: die seines Lehrmeisters Roshi, der schrillen Jeannie, des dunklen Mr. Moriarty und - neu hinzugekommen, seit er sich in St. Irais befindet - die des angsteinflößendes Jokers. Auch seinen beiden Vätern Jonathan und Toby gegenüber spricht er nicht über sie. Sie machen sich Adrians Meinung nach schon genug Sorgen um ihn. Die Anfälle, die hin und wieder auftreten, reichen da völlig aus.
Adrian versucht sich einzuleben, scheint aber in dem dunklen Haus, das gegenüber seines neuen Zuhauses thront, mehr zu sehen als andere. Er sieht Lichter und Gestalten in den Fenstern. Und schon nach kurzer Zeit siegt seine Neugier und er wagt sich allein in das Herrenhaus. Zunächst hat er eine Ruine vor sich, plötzlich jedoch verändert sich die Kulisse und er sieht das Haus in seinem alten Glanz ...
Und ist das Mädchen, das er dort sieht, nicht Nova aus St. Irais? Die Nova Vandenbourgh, die mit einem der hiesigen Draufgänger zusammen ist, der zusammen mit seinen Saufkumpels Adrian als Irren und dessen zwei Väter als Schwuchteln beschimpft?
Sollte auch Nova plötzlich den Drang verspürt haben, ins Haus zu kommen - und warum sieht alles im Haus aus wie aus vergangenen Zeiten? Doch all dies ist jetzt nicht mehr wichtig, denn Adrian ergibt sich ganz dem Treiben in Heathcote Manor ...
"Das Haus am Abgrund" gehört zu einer Reihe von Jugendromanen, die im neuen Imprint bloomoon des Verlags Ars Edition erschienen sind. Susanne Gerdom bewegt sich hier in neues Terrain und präsentiert eine fantastische Schauergeschichte. Und zwar eine, die es absolut wert ist, gelesen zu werden. Ihr Protagonist Adrian hätte das Potential zu einem "Jammerkandidaten" gehabt, schließlich steht er als 16-jähriger mit einem bösartigen Hirntumor nicht gerade auf der Sonnenseite. Jedoch bleibt diese Sorge unbegründet. Adrian lässt trotz seiner Ängste nicht vom Leben ab, verliebt sich sogar und versucht sich von seiner Krankheit nicht völlig unterkriegen zu lassen. Zwar schiebt er die Realität, dass er den Tumor nicht überleben wird, immer wieder weit von sich, vielleicht ist aber gerade dies erforderlich, um den großen Lebenswillen nicht zu verlieren. Wer sich vor Büchern mit schwer erkrankten Charakteren eher fürchtet, weil er beispielsweise Mitleids- und Jammertiraden entgehen möchte, kann hier ohne zu zögern zugreifen. Im Mittelpunkt steht ganz klar das "Haus" und nicht die Krankheit.
Ein riesiger Pluspunkt des Romans ist, dass er seine Leserinnen und Leser ernst nimmt und ihnen eigene Intelligenz zumutet. Es ist eine Freude zu sehen, dass auch jungen Lesern dies zugetraut wird - offensichtlich ist es keine Selbstverständlichkeit. In "Das Haus am Abgrund" werden Geschehnisse nicht immerwährend wiederholt, damit auch ja niemand etwas verpasst. Schaurige Geheimnisse, die seit langer Zeit Bestand haben, werden nicht innerhalb der wenigen Seiten bis auf den letzten Krümel am Boden aufgedeckt - sie würden dadurch schlicht unglaubwürdig werden.
Realitäten, Träume, Halluzinationen, Gedanken und Erinnerungen vermischen sich und gehen hin und wieder nahtlos ineinander über. Dies alles mag manch einen verwirren, wer aber konzentriert am Ball bleibt und sich dem Buch hingibt, wird spätestens ab der Mitte einen starken Sog verspüren, der es nicht erlaubt diesem Roman den Rücken zu kehren. Der Bann des "Heathcote Manor" überträgt sich beim Lesen auch auf die Leser und so ist die zweite Hälfte des Buches schneller vorbei als gedacht. Zeitlose Themen wie Diskriminierung und sinnlose Brutalität kommen auch in diesem Buch der Autorin nicht zu kurz, was ihre Bücher nie zu etwas Beliebigem macht.
Susanne Gerdom ist es gelungen, mit "Das Haus am Abgrund" einen intelligenten und modernen Jugend-Schauerroman mit Anspruch zu schreiben, der ganz sicher nicht nur Jugendlichen gefallen wird. Chapeau!
Hier beim Verlag kann im Buch geblättert werden.