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Jodi Picoult ist bekannt dafür, unangenehme und kontroverse Themen in den Mittelpunkt ihrer Romane zu stellen. Ihr bisher vermutlich größter Erfolg, „Beim Leben meiner Schwester“, lief sogar jüngst als Hollywood-Blockbuster im Kino. „Das Herz ihrer Tochter“ bildet da keine Ausnahme, wenn der deutsche Titel auch etwas irreführend ist.
Zwar erzählt der Roman auch von June und ihrer sterbenskranken Tochter, eigentlich dreht sich jedoch alles um den als Mörder rechtskräftig verurteilten Häftling Shay. Als seine Berufung vor dem obersten Bundesgericht scheitert, wird er in einen neuen Gefängnistrakt verlegt. Und vom Augenblick seiner Ankunft an mehren sich seltsame Ereignisse: Aus den Zellenwasserhähnen fließt statt Wasser plötzlich Wein; Shay spricht von Dingen, von denen er nichts wissen kann und die das Leben der Tochter eines Polizisten retten; ein scheinbar toter Vogel erwacht wieder zum Leben. Diese und andere Ereignisse bleiben der Öffentlichkeit natürlich nicht lange verborgen. Schließlich zieht sogar Shays Seelsorger die Möglichkeit in Betracht, sein Schützling könnte der wiedergekommene Messias sein. Die junge Anwältin Maggie, die davon träumt, die Todesstrafe in ihrem Bundesstaat abzuschaffen, ergreift die Gelegenheit beim Schopf: Sie übernimmt Shays Fall und kämpft dafür, seinen letzten Wunsch zu erfüllen: Er will sein Herz ausgerechnet der sterbenskranken Tochter jener Frau spenden, deren Ehemann und deren erstes Kind er ermordet haben soll …
„Das Herz ihrer Tochter“ ist eine Geschichte, die die Gemüter spalten wird. Das liegt vor allem daran, dass die Todesstrafe ein ohnehin brisantes Thema ist. Picoult geht aber noch einen Schritt weiter und macht aus dem mutmaßlichen Mörder einen potentiellen religiösen Erlöser. Dabei beantwortet die Autorin die aufgegriffenen Fragen gar nicht. Sie versucht nicht, ihr Publikum zu erziehen, erklärt ihm nicht, was es zu denken hat. Sie gibt Denkanstöße zu Themen, die sich nicht einfach in Schwarz und Weiß einteilen lassen. Das spiegelt sich auch darin wieder, dass die Geschichte aus fünf unterschiedlichen Perspektiven erzählt wird. So lässt Picoult sowohl den vermeintlichen Täter zu Wort kommen als auch das Opfer; ein Geistlicher beurteilt den Sachverhalt ebenso wie eine Rechtsanwältin. Während ersterer sich mit Glaubensfragen auseinandersetzt, holt sich letztere fundierte wissenschaftliche und medizinische Auskünfte ein. Der Hörer erfährt beinahe nebenher, wie eine Herztransplantation im Groben abläuft und wie lange es dauert, bis ein Mensch stirbt, dem man die Todesspritze gesetzt hat. Was ist Erlösung und wie erlangt man sie? Was unterscheidet sie von Vergebung? Und warum sind beide Dinge so wichtig?
Das Hörbuch nutzt die Tatsache der verschiedenen Sichtweisen und lässt jede Perspektive von einem anderen Sprecher einlesen. So ist das Label bereits bei der Vertonung des Picoult-Romans „19 Minuten“ vorgegangen; damals aufgrund der hohen Frequenz der Perspektivwechsel nicht ausschließlich mit Erfolg. Bei „Das Herz ihrer Tochter“ geht diese Vorgehensweise jedoch voll auf. Das ist nicht zuletzt der Verdienst der hervorragenden Sprecherriege: Tanja Geke, Anna Thalbach, Jens Wawrczeck und Marius Clarèn sind alles versierte Profis; ein einzelnes Kapitel wird von der 1997 geborenen Felicia Wittmann gesprochen, die verständlicherweise ihren älteren Kollegen nicht das Wasser reichen kann, ihre Sache aber gut macht. Dass es sich um eine "gekürzte Lesung" handelt, fällt nicht negativ auf.
Insgesamt bietet das Hörbuch rund siebeneinhalb Stunden intensive Unterhaltung, die noch lange im Ohr nachhallt, nachdem die letzte CD abgespielt ist. Eine Hörprobe findet man übrigens
hier.