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Seit Sofies Welt gibt es die Philosophie in Romanform und Jostein Gaarder vermag es, immer wieder neue Ideen und tolle Erzählungen mit philosophischen Inhalten zu spicken. Das Orangenmädchen ist ein Kurzroman, eine Erzählung, irgendwas zwischen den Textformen. Und es ist eine unglaubliche Liebesgeschichte, es ist ein Abschiedsbrief, der dem Leser die Tränen in die Augen treibt.
Georg ist fünfzehn, als seine Oma einen Brief findet, einen Brief von Georgs Vater an den Sohn. Jan-Olav, Georgs Vater, starb, als Georg noch keine vier Jahre alt war. Vor seinem leider absehbaren Tod schrieb er einen Brief, der viele Seiten lang war, und mit ihm zusammen schreibt Georg ein Buch, das Buch über das Orangenmädchen.
Jan Olav ist neunzehn, als er sich unsterblich verliebt. In einer U-Bahn sieht er ein Mädchen mit einer riesigen Tüte voller Orangen. Als er befürchtet, dass ihr die Tüte herunterfällt, versucht er, ihr zu helfen und prompt fallen die Orangen durch die halbe U-Bahn. Sie nennt ihn einen Weihnachtsmann, schnappt sich eine der Orangen und lässt ihn mit den aufgesammelten Früchten einfach stehen. Jan Olav ist entflammt, nein, er brennt lichterloh und er geht auf die Suche, dieses Mädchen wieder zu finden. Er trifft sie in seiner Stammkneipe, einige Wochen später, wieder hat sie eine Tüte mit Orangen bei sich. Sie sprechen nicht so richtig miteinander, halten aber kurz Händchen. Heiligabend treffen sie sich im Dom, sie bittet ihn, ein halbes Jahr auf ihn zu warten und entschwindet.
Eine Liebesgeschichte wie im Märchen. Erst spät merkt Georg, dass es die Liebesgeschichte seiner Eltern ist. Seine Mutter ist das Orangenmädchen und Georg lernt vieles Neues über seine Familie, er versteht sein eigenes Interesse an den Sternen, findet eine echte Erinnerung an seinen Vater und kann einen Abschied feiern, der ihm ohne den Brief für immer verwehrt gewesen wäre. Und dieser Abschied ist vermutlich kaum ohne feuchte Augen zu lesen.
Gaarder verbindet die Liebesgeschichte und die Geschichte der Verbindung zwischen Vater und Sohn mit der Frage, ob das Leben auch dann lebenswert ist, wenn man weiß, dass eine Liebesgeschichte viel zu früh zu Ende sein kann. Dazu kommt die Frage der Unendlichkeit, eine Verbindung mit der Astronomie, der Frage nach dem Ursprung und natürlich das Mysterium der Zeit. Die Fotos des Hubble-Teleskops von Sternen, die schon lange erloschen ist, der Brief des Vaters, der schon elf Jahre tot ist, beides als Zeitmaschinen genutzt, sehr analog.
Ein Büchlein von 188 Seiten, zwei Stunden Lesevergnügen, die man immer wieder mal haben kann, denn es ist kaum zu vermuten, dass man nach dem ersten Lesen schon alles verstanden hat. Und so lohnt es sich auch, für das Büchlein 8,50 Euro zu bezahlen, was ansonsten für ein Taschenbuch dieser Seitenzahl etwas hoch erscheint. Bedauerlich nur, wie des Öfteren bei Gaarder, dass es so kurz ist, denn am Ende ist es sehr schade, dass dieses kleine Meisterwerk schon vorbei ist.