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Als Detektiv der "Continental Detective Agency" muss man schon ein ausgeschlafener Typ sein. Ein harmloses Gesicht, ziemliches Übergewicht und geringe Körpergröße müssen kein Hindernis sein. Und wenn dann fast nur Männer in der Kneipe sitzen, einige davon auch noch von der anderen Küste, muss man einfach hellhörig werden.
Aber was machen Dutzende Edelganoven und noch mehr Schläger der Ostküste hier in San Francisco? Ein Meeting oder eine große Nummer? Wer aber soll so etwas organisieren und wie die teure Bagage dazu überreden?
Wenige Stunden später sind einige Fragen geklärt. Hunderte schwer bewaffnete Ganoven überfallen die sich gegenüberliegenden Filialen der "Seamans National Bank" und der "Golden Gate Trust Company". Am helllichten Tag, unter Verwendung von Sprengstoff, blauen Bohnen im Überfluss und so rücksichtslos, dass einige Dutzend Tote zurückbleiben. Keine Stunde später sind alle Gauner wie vom Erdboden verschluckt.
Die unfähige Polizei stochert im Dunkeln und zeigt sich völlig überfordert. Und mein Chef schickt ausgerechnet mich los, herauszufinden, was hier abgeht.
Was Dashiell Hammett 1927 abgeliefert hat, ist eine Räuberposse der Extraklasse. Die Geschichte rund um einen gigantischen Überfall und das darauf folgende große Sterben der Ganoven ist ein Musterbeispiel für die Art Story, die Hammett als eigene Literaturgattung etablierte.
Kurze, schnörkellose Sätze, keinerlei Beschreibungen, minimalistische Verwendung von Attributen oder Adjektiven, fast keine Nebensätze und höchst seltsame Metaphern zeichnen den unnachahmlichen Stil Hammetts aus. Wie direkt aus der Gosse auf den Teller serviert Hammett dem Leser ein Gerüst, das der selbst mit Leben füllen muss. Der Detektiv bleibt namenlos, die Helden der Geschichte sind abgewrackte, verlorene Gestalten nahe am Ableben. Gnadenlos lässt der Autor sterben, das Leid wirkt gewöhnlich, die Sehnsucht nach Hoffnung und einer wie auch immer gearteten Zukunft überstrahlt alles.
Diese Geschichte, die sich wie ein völlig überdrehtes Märchen aus längst vergessenen Zeiten eines Al Capone anhört, wurde am 11. 12. 2001 in der Volksbühne Berlin von Wiglaf Droste und Katharina Thalbach vorgetragen. Gelegentliches Umblättern, Husten und Nebengeräusche dokumentieren dieses Stück als Live-Darbietung. Nach einer Ausgabe der "Edition Tiamat" im Jahre 2002 veröffentlicht nun Diogenes den Live-Mitschnitt der Ausnahmekünstler Anfang 2008 erneut. In edlem Outfit der Hammett-Serie - gehalten in Gelb und Schwarz - macht die Doppel-CD viel her und sorgt für einhundertvierzig Minuten Spannung.
Leider fällt zunächst die endlose Liste der Namen, die der Autor ersonnen hat, auf. Wer die Dutzenden von Ganoven, die hier immer wieder aufgezählt werden, auch nur fünf Minuten lang behalten kann, sollte bei "Wetten dass!" auftreten - alle anderen Hörer verzweifeln ob der schieren Masse intelligenter, langatmiger, blöder und lächerlicher Namen, die erklingen.
Dank Droste, Kabarettist, taz-Autor und Nestbeschmutzer aus Leidenschaft, und Thalbach, der rausten Stimme seit Joe Cocker, hört sich die Geschichte jedoch fantastisch an. Man fragt sich zwar gelegentlich, warum nicht einer, sondern zwei Künstler in abwechselnder Lesung dem namenlosen Detektiv als Ich-Erzähler seine Stimme leihen, doch machen beide ihre Sache so hervorragend, dass man versteht, warum Diogenes diese Aufnahme genommen und nicht neu vertont hat. Beide Sprecher sind einfach genial.
Wie es ihnen gelingt, diese Namensflut zu bewältigen, die Härte der Sprache zur Geltung zu bringen und die Spannung der Story zu halten, gleichzeitig aber auch den lakonischen, fast monotonen Klang, den die Texte Hammetts vermitteln, beizubehalten, ist schon eine Ohrenweide ohnegleichen.
Dieses Hörbuch ist ein echter Geheimtipp. Dank Wiglaf Droste und Katharina Thalbach ist man einhundertvierzig Minuten ganz Ohr. Wer Hammett kennt und schätzt, muss sich "Das große Umlegen" kaufen, wer ihn nicht kennt, sollte es mit dieser Story versuchen. Zwar könnte man gut auf zwanzig bis dreißig Ganovennamen verzichten, doch sollte man Hammett dies nachsehen - er wollte so realistisch wie möglich von einem Überfall erzählen, in den eben Hunderte verwickelt waren.