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Spätestens seit Dan Brown und Scott McBain sind Mysterythriller oder Thriller mit religiösem oder kirchlichem Hintergrund wieder überaus beliebt. In diese Kategorie Roman fällt auch das Buch "Der 77. Grad", den der in Irland lebende Astronomie-Professor Bill Napier bereits im Jahr 2003 veröffentlichte und der jetzt, im Juli 2007, erstmals in seiner deutschen Übersetzung erschienen ist.
Als der Antiquar Harry Blake von einem reichen Kunden gebeten wird, für ihn ein mehr als vierhundert Jahre altes und in einem Code verfasstes Manuskript zu übertragen, gerät der Buchhändler unversehens in einen lebensbedrohlichen Sumpf aus Bestechungen und Verschwörungen. Harry wird viel Geld für das Manuskript angeboten, man verfolgt ihn, schlägt ihn zusammen, bricht in seine Wohnung ein. Kurz darauf wird sein Auftraggeber ermordet, nachdem er grausam gefoltert und gequält worden war. Doch mittlerweile konnte Harry nicht nur das Verschlüsselungssystem knacken, er hat sogar bereits ein großes Stück des Manuskripts übersetzt. Was dabei zu Tage kommt, ist zwar Aufsehen erregend, aber bei weitem nicht so spektakulär, dass man ihm deshalb nachstellen müsste. Da sich das Manuskript als Reisebericht eines Schiffsjungen erweist, zieht Harry die Seefahrtshistorikerin Dr. Zola Khan zu Rate, mit der er gemeinsam die Aufzeichnungen genau durchgeht.
James Ogilvie - so der Name des schottischen Schiffsjungen - verlässt sein Heimatdorf eines Tages im Jahr 1585 und heuert auf einem Schiff an, deren Reiseziel geheim ist. Durch seinen aufgeweckten Geist und sein gebildetes Wissen, das ihm der Pfarrer beigebracht hat, gelingt es Ogilvie, das Vertrauen der Ehrenmänner an Bord der Tiger zu erlangen, und schon bald erfährt er nicht nur, dass er sich auf einer von Walter Raleigh organisierten, geheimen Expedition befindet, sondern auch wohin das Schiff der Königin unterwegs ist: Es steuert auf direktem Kurs den 77. Längengrad an, der einmal von oben nach unten durch den amerikanischen Kontinent geht. Doch der 77. Längengrad ist kein gewöhnlicher - es ist der Längengrad Gottes.
Erst als Harry und Zola über die Beschreibung einer altertümlichen Ikone stoßen, werden sie hellhörig: Könnte diese Ikone tatsächlich aus einem Stück vom Holz des Wahren Kreuzes angefertigt worden sein? Des Kreuzes Christi? Wenn ja, verrät das Manuskript, wo sich diese Ikone heute befindet? Auf der Suche nach Antworten begeben sich Zola und Harry gemeinsam mit der Tochter des toten Auftraggebers auf eine gefahrvolle Reise - denn profitgierige Mächte sind ihnen schon dicht auf den Fersen ...
Bereits das erste Kapitel von "Der 77. Grad" ermutigt seinen Leser nicht unbedingt dazu, sich weiter in den von Bill Napier erzählten Thriller zu vertiefen. Viel zu verwirrend und durcheinander gestalten sich die ersten Seiten des Buches, deren Sinn lange verborgen bleibt. Danach nimmt die Geschichte erfreulicherweise an Tempo und Spannung zu, um wenig später jedoch durch einen Zwischenteil unterbrochen zu werden, in dem über fünfzig Seiten hinweg die Aufzeichnungen von James Ogilvie eingeschoben werden, der - ebenso wie Harry Blake übrigens - aus der ersten Person von seinen Erlebnissen berichtet. Derartige Einschübe folgen auch im weiteren Verlauf des Thrillers immer wieder, wenn auch nicht mehr ganz so umfangreich. Zwar beschreiben sie das Leben im 16. Jahrhundert sehr genau und überaus glaubwürdig, doch ziehen sie sich doch ein wenig in die Länge, sodass der Thriller selbst während dieser Passagen auf der Stelle tritt. Im Gegensatz zu den Figuren, die in Ogilvies Berichten auftauchen, erscheinen die Charaktere der Gegenwart darüber hinaus nicht sonderlich tiefgründig, sondern bleiben oberflächlich beschriebene Menschen, die gut und gerne auch durch andere Individuen ersetzt werden könnten. Leider hofft man auch auf ein finales Wettrennen vergeblich, das dem Buch nochmals einen abschließenden Spannungsschub verpasst hätte, denn stattdessen verliert "Der 77. Grad" immer mehr an Fahrt, bis die Handlung schließlich aufgelöst wird.
Für einen flüssigen Lesegenuss kann auch die deutsche Übersetzung nicht sorgen, die zwar grammatikalisch durchaus korrekt ist, sich aber durch ihre oft umgestellten Satzkonstruktionen meist anstrengend und holprig liest.
Fazit:
"Der 77. Grad" ist leider kein Thriller, den man mit Spannung verschlingen kann und bei dem die Seiten geradezu unter den Fingern dahinzufliegen scheinen. Zwar legt Bill Napier einen Roman mit durchaus ansprechenden Ansätzen vor, doch die immer wieder unterbrechenden Tagebucheinträge James Ogilvies lassen die eigentliche Handlung zu sehr auf der Stelle treten. Auch die zwar meist korrekte, aber nicht sehr flüssig erscheinende Übersetzung trägt dazu bei, dass man dieses Buch nur ungern bis zum Ende liest.