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Dass gerade Künstler und Intellektuelle dem Drogenkonsum nicht abgeneigt sind, ist kein Geheimnis. Ulf Müller und Michael Zöllner haben in ihrer Anthologie "Der Haschisch-Club", die bereits mehrfach im
Tropen Verlag aufgelegt worden ist, Texte zusammengestellt, mit denen der Leser sich über die Berichte berühmter Berauschten auf einen literarischen Drogentrio begeben können.
Nach einer informativen Einleitung, in der die ausgewählten Texte kurz vorgestellt werden, wird der Leser mit einem Auszug aus Théophile Gautiers "Im Haschisch-Club" ideal eingestimmt: Der französische Schriftsteller gehörte zum geheimen "Club des Hachichins", in dem sich um 1840 regelmäßige namhafte Vertreter der Pariser Künstlerszene zum gemeinsamen Genuss einer Haschisch-Konfitüre zusammenfanden. Im Folgenden finden sind auch noch Texte weiterer französischer Literaten, die an diesen gemeinsamen Berauschungen teilhatten.
Während Charles Baudelaire in einem Ausschnitt aus seinem Essay "Les Paradis Artificiels" ("Die künstlichen Paradiese", 1860) die willensschwächende Wirkung des Haschisch beklagt, die seine kreativitätssteigernden Vorzüge gleich wieder zunichtemache, kritisiert Gustave Flaubert in einem Brief an seinen Schriftstellerkollegen dessen Moralismus in der Frage als "Sauerteig des Katholizismus". Als zweischneidiges Erlebnis beschreibt auch der US-Amerikaner Fitz Hugh Ludlow in einem Text von 1877, einem der längsten und zugleich auch stimmungsvollsten Texte des Bandes, den Haschisch-Rausch. Und ein weiterer Erfahrungsbericht stammt von dem berühmten Kulturtheoretiker Walter Benjamin, der anschaulich beschreibt, wie er in der Sinnessteigerung des Haschischrausches durch Marseille läuft.
Doch nicht nur die Cannabis-Pflanze versetzt die in dem Sammelband vertretenen Autoren in ungekannte Bewusstseinsebenen, es geht auch um andere Drogen. Man kann zum Beispiel nachlesen, wie Mark Twain von seinem (scheiternden) Plan, die Coca-Pflanze aus dem Amazonas-Gebiet in die ganze Welt zu bringen, berichtet, wie Sigmund Freud die Wirkung derselben beschreibt und was die Galionsfigur der Beat-Generation, William S. Burroughs, seinem Freund Allen Ginsberg in einem Brief über die halluzinogene Wirkung der tropischen Yalé-Pflanze berichtet.
Der Leser kann desweiteren teilhaben an den durch Autoren wie Antonin Artaud, Henri Michaux, Aldous Huxley literarisch verarbeiteten Erfahrungen mit Meskalin sowie an den LSD-Trips von Anaïs Nin, Albert Hofmann und Timothy Leary und Tom Wolfe. Den Abschluss der Anthologie bilden ein Essay von Ernst Jünger mit allgemeinen Gedanken zum Thema "Drogen und Rausch" sowie ein Beitrag von Peter Weibel, der eine kleine Zusammenstellung von Ausdrücken von "Acid" bis "Zounk" liefert, mit denen in der Popmusik mehr oder weniger explizit auf Drogen angespielt wird. Als 'Dessert' gibt es noch ein besonderes Toffee-Rezept von Brion Gysin…
Die Anthologie ist eine abwechslungsreiche, interessante Zusammenstellung von größtenteils sehr kurzen Texten, mit dem man der Leser sich zwischendurch mal auf andere Bewusstseinsebenen einlassen kann – und das ganz ohne weitere Stimulanzien. Man bekommt nicht nur einen Einblick darin, wie Drogenkonsum im Allgemeinen und verschiedene Wirkstoffe im Speziellen zu unterschiedlichen Zeiten beschrieben worden sind (der Schwerpunkt liegt hierbei klar auf dem 19. und 20. Jahrhundert). Nebenbei kann man auch die Schreibweise einiger wichtiger Autoren kennen lernen – und vielleicht nach dem kurzen Appetizer auch Lust bekommen, mehr über deren Drogen- oder auch sonstige Erlebnisse zu lesen.
Ein wenig irritieren mag im Hinblick auf den Titel, dass sich nur etwa die Hälfte der Texte mit dem Haschischrausch beschäftigen, und es stellt sich die Frage, ob die Bandbreite der thematisierten Drogen dann nicht sogar noch größer hätte sein können. Letztendlich tut das dem Lesevergnügen jedoch keinen Abbruch.
Besonders hervorzuheben ist die schöne Gestaltung des Covers, das sogar psychedelisch im Dunkeln leuchtet! Auch im Buch selbst werden die Texte durch eingeschobene Schwarzweiß-Abbildungen aufgelockert, teils durch Fotografien der jeweiligen Autoren (bzw. ein "Selbstporträt im Haschischrauch" im Fall Baudelaires), teils durch thematisch passende Abbildungen wie die einer Apothekenausstattung des 18. Jahrhunderts oder einer Hanfpflanze.
Eine Leseprobe findet sich hier auf der Verlagsseite.