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Als Keith Devlin, Mathematikprofessor an der Stanford University in Kalifornien, im Jahr 2000 sein Buch "The Math Gene" (deutsche Übersetzung: Der Mathe-Gen, Klett-Cotta, 2001) veröffentlichte, konnte er damit Leser und Kritiker begeistern. Nun hat der Autor zahlreicher mathematischer Fachartikel und populärer Bücher über die Mathematik Anfang 2005 ein Buch veröffentlicht, das an diesen Erfolg anknüpfen soll und das seit Juli 2005 auch auf Deutsch vorliegt: "Der Mathe-Instinkt".
In diesem Buch, das den ein wenig einfältigen Untertitel "Warum Sie ein Genie sind und Ihr Hund und Ihre Katze auch" trägt, beschäftigt sich der Autor hauptsächlich mit der von ihm so genannten "natürlichen Mathematik" beziehungsweise der "Mathematik der Natur" und dem Zusammenhang zwischen Mathematik und Sprache. So schreibt Keith Devlin unter anderem über Hunde, die beim Apportieren von Gegenständen aus einem fließenden Gewässer die kompliziertesten Differenzialrechnungen instinktiv lösen können, über Katzen, die nach einem Sturz meist auf vier Pfoten aufkommen, Ameisen und Vögel, die sich problemlos orientieren können und stets den richtigen Weg finden, Bienen, die die Meisterarchitektinnen der Tierwelt sind, über die Häufigkeit der Fibonacci-Zahlen in der Natur, den Wuchs der Pflanzen, aber auch über unser Sehvermögen und die so genannte "Straßenmathematik".
Schon nach den ersten Kapiteln jedoch wird deutlich: "Der Mathe-Instinkt" ist eine große Enttäuschung. Das meiste von dem, was Keith Devlin in seinem Sachbuch beschreibt, ist - vor allem für jemanden, der sich mit der Tierwelt auskennt - nichts Neues, sondern altbekannt und damit nicht unbedingt spektakulär. Natürlich ist es interessant, zu erfahren, wie sich Fledermäuse mittels des Echolots auch im Dunkeln zurechtfinden können oder wie Zugvögel es schaffen, weite Strecken zu fliegen und doch immer dort anzukommen, wo sie hin wollten. Doch sind derartige Informationen, die ungefähr die Hälfte des vorliegenden Buches ausmachen, für eine durchschnittlich mit Allgemeinwissen vertraute Person weder aufsehenerregend noch so aufregend, dass man darüber ein Buch schreiben müsste. Tatsächlich drängt sich dem Leser schnell der Verdacht auf, dass der Autor aufgrund des Erfolges des "Mathe-Gens" ein zweites Buch nachschieben wollte und dabei mitunter auch auf die trivialsten Informationen zurückgegriffen hat, um Seiten zu füllen. Die zweite Hälfte des Buches gestaltet sich zwar ein wenig interessanter, da sich Keith Devlin mit der Frage beschäftigt, inwiefern sprachliche Fähigkeiten mit der Mathematik zusammenhängen, und das Phänomen erklärt, warum viele Menschen in alltäglichen Situationen mit Preisen und Rechnungen umgehen können, während eines Mathe-Tests mit exakt denselben Aufgaben jedoch versagen. Da der Autor dabei jedoch ständig den Versuchsaufbau verschiedener und doch ähnlicher Experimente beschreibt und häufig zu denselben Schlüssen kommt, beschleicht den Leser auch hier der Verdacht, dass einfach noch ein paar Seiten gefüllt werden mussten. Denn so interessant sich dieser zweite Teil des Buches thematisch auch gestaltet, so in die Länge gezogen erscheint er aufgrund vieler Wiederholungen. Auch fühlt sich der Leser an bestimmten Stellen des Buches nicht vom Autor ernst genommen, nämlich zum Beispiel dann, wenn dieser erklärt, dass "die erste Ziffer 1 [der Zahl 1492] die Zahl
Eintausend [bezeichnet], die zweite Ziffer 4 [...] die Zahl
Vierhundert, die dritte Ziffer 9 [...] die Zahl
Neunzig [...] und die letzte Ziffer 2 [...] die Zahl
Zwei" und dann daraus folgenden Schluss zieht: "Damit steht das gesamte Zahl-"Wort" 1492 für die Zahl
Eintausend
vierhundert
zweiund
neunzig."
Eines jedoch muss man Keith Devlin und dem "Mathe-Instinkt" lassen: Das mathematische Sachbuch ist unkompliziert geschrieben und lässt sich flüssig und ohne größere Anstrengungen lesen.
Auch wenn das Wort "Zebra" im gesamten Buch lediglich ein einziges Mal fällt - nämlich im Zusammenhang mit Fellfärbungen -, kann die Gestaltung des Schutzumschlages des mit rund 250 Seiten recht dünnen Hardcover-Buches gefallen und veranschaulicht zwei der großen Themen der Publikation: Natur und Tiere sowie das Supermarkt-Rechnen beziehungsweise die Straßenmathematik.
Fazit:
Nach seinem Erfolg mit dem mathematischen Sachbuch "Der Mathe-Gen" legt Keith Devlin sein Buch "Der Mathe-Instinkt" vor, der sich vor allem mit der "natürlichen Mathematik" beschäftigt. Allerdings stellt der Text, der zugegebenermaßen flüssig und angenehm gelesen werden kann, eher eine Enttäuschung dar, da die meisten Informationen, die der Autor seinem Leser präsentiert, bereits weitläufig bekannt sind und sich somit in nur bedingt spektakuläre Gewänder kleiden. Die Informationen hingegen, die das Potential dazu hätten, "Der Mathe-Instinkt" zu einem empfehlenswerten Sachbuch werden zu lassen, werden von Keith Devlin durch doppelt und dreifach gezogene Schlussfolgerungen unnötig langatmig aufbereitet.