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Inspektor Sartaj Singh ist nicht nur ein ausgezeichneter Ermittler, er sticht auch unter den anderen Polizisten heraus, denn er ist der einzige Sikh-Kommissar in der Stadt. Ein anonymer Anrufer bringt Singh auf die Spur von Ganesh Gaitonde, einem der größten und am meisten gefürchteten Verbrecher Bombays. Singh und seine Leute umstellen Gaitondes Haus, eine bunkerähnliche Festung, und versuchen ihn zum Aufgeben zu bringen. Doch der große Gangsterboss weigert sich, sucht stattdessen auf rätselhafte Art über die Gegensprechanlage das Gespräch mit Singh.
Als letztendlich die Tür zum Haus aufgebrochen wird, finden die Polizisten nur noch Gaitondes Leichnam vor - er hat sich selbst das Leben genommen. Ebenfalls tot ist eine junge Frau, die in dem Haus gefunden wird; offenbar hat Ganesh Gaitonde erst sie, dann sich gerichtet. Doch warum hat der große Gaitonde, der "Pate von Bombay", seinem Leben ein Ende gesetzt? Und wer war die junge Frau an seiner Seite? Auf den Spuren dieses Kriminalfalles sieht Inspektor Singh sich mit Verstrickungen und Verwirrungen konfrontiert, denn anscheinend hat auch der Geheimdienst Interesse an der Lösung dieses Falles, der bald der höchsten Geheimhaltungsstufe unterliegt. Und Singh dringt im Zuge seiner Ermittlungen immer weiter in das Leben von Ganesh Gaitonde ein ...
"Der Pate von Bombay" fasst Vikram Chandras Romane "Der Gott von Bombay" und "Bombay Paradise" zusammen. Beide erschienen im englischen Original als ein Band unter dem Titel "Sacred Games"; im Deutschen musste man bislang beide Romane kaufen, um die Geschichte komplett zu lesen. Mit der im Aufbau Taschenbuchverlag erschienenen Ausgabe, die eindrucksvolle 1360 Seiten umfasst, liegen also erstmals beide Romane in einer Gesamtausgabe vor (leider fehlt ein Hinweis darauf auf dem Cover oder im Klappentext).
Vikram Chandra erzählt in diesem Buch eigentlich zwei Geschichten im Wechsel - zum einen die von Inspektor Sartaj Singh und seinen Ermittlungen, zum anderen die Lebensgeschichte von Ganesh Gaitonde, seinem Aufstieg zum großen und gefürchteten Gangsterboss und seinem Fall und letztendlich Tod. Eigentlich könnten beide Charaktere unterschiedlicher nicht sein, und doch gibt es Parallelen, denn beide Männer sehen sich trotz ihrer unterschiedlichen Hintergründe der ständigen Korruption ausgesetzt, die Indiens Gesellschaft beherrscht. Gaitonde lernt früh, sich ohne Skrupel Kontakte und Bestechungsgelder zunutze zu machen, um seine Macht stetig auszubauen. Der melancholische Singh ist zwar in seinem Innersten rechtschaffen, doch Bestechungsgelder nimmt auch er an, wie alle anderen Beteiligten auch, anders funktioniert das System auch gar nicht.
Vikram Chandra schafft es sehr schnell, im Leser Bewunderung für Ganesh Gaitonde und seinen Lebensweg zu wecken; tatsächlich ist seine Geschichte die interessantere von beiden. Obwohl dieser Mann höchst kriminell ist und nicht davor zurückschreckt, auf grausame Art und Weise zu morden - um ein Exempel zu statuieren, lässt er einem Verräter Arme und Beine abhacken -, empfinden wir ihn als zielstrebig und ehrgeizig, klug und mit einer gewissen Verbrecherehre ausgestattet.
Der Einblick in Indien und die Mechanismen seiner Gesellschaft und seiner Politik ist dem Autor dieses monumentalen Thrillers ausgezeichnet gelungen. Eigentlich ist das Werk nur vordergründig ein Thriller; im Mittelpunkt stehen nicht die Ermittlungen, sondern vielmehr die Lebenswege von Gaitonde und Singh. Auch historisch schlägt der Roman einen weiten Bogen und thematisiert einerseits die Teilung Britisch-Indiens im Jahr 1947 und die damit verbundene Abspaltung Pakistans, andererseits aber auch aktuelle Themen wie Terrorismus im Angesicht des 11. September 2001 und die Gefahr von Atomschlägen.
Die Millionenstadt Mumbai, früher Bombay, spricht aus den lebendigen Beschreibungen Chandras; Dreck, Lärm, Armut und die ständige Korruption machen dem Leser bald fast genauso zu schaffen wie den Handelnden. Bisweilen ermüdet der Roman allerdings auch etwas; abgesehen davon, dass das Buch eben weit über 1000 Seiten aufweist, die zudem noch recht klein gedruckt sind, ist für Westeuropäer der Schauplatz zunächst ungewohnt, wenngleich auch unbestritten faszinierend. Sehr anstrengend ist allerdings die Vielzahl fremdsprachiger Begriffe, die hier verwendet wurde. Ein langes Glossar am Ende übersetzt und erläutert die meisten von ihnen, doch das ständige Hin- und Herblättern auf der Suche nach dem richtigen Ausdruck ist doch ziemlich störend. Fußnoten wären hier eventuell die bessere Wahl gewesen, so schlägt man mehrmals pro Buchseite unbekannte Ausdrücke nach.
Fazit: "Der Pate von Bombay" ist spannend und faszinierend, ein buntes, sehr ausführliches und abwechselungsreiches Werk; der Roman eröffnet dem Leser mit einer Fülle an Details eine ihm wahrscheinlich unbekannte Kultur, in der ganz andere Regeln gelten. Die 1360 Seiten starke Taschenbuchausgabe umfasst die beiden zusammen gehörenden Romane um Inspektor Singh und Ganesh Gaitonde und ist damit unschlagbar günstig.