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Peter verlässt nach einem Vergewaltigungsversuch durch einen Lehrer sein siebtes Waisenhaus. Er wird zu seiner Überraschung auf einer privaten Eliteschule aufgenommen. Hier herrscht Biehl, ein sehr strenger, äußerst auf Normen, Werte und exakte Tagesabläufe achtender Lehrer. Peter hat mit den Anforderungen der renommierten Schule wenig Probleme und integriert sich - weitgehend vom Lehrpersonal akzeptiert - in das starre Schema.
Doch nach den Osterferien scheint sich alles zu verändern. Die Lehrer haben ihre eigenen Kinder von der Schule genommen und immer mehr Schüler werden aufgenommen, die nicht in die bisherige Aufnahmepolitik der Schule passen. Vor allem der zwölfjährige August scheint völlig fehl am Platz zu sein. Peter findet gemeinsam mit Katarina heraus, dass August seine Eltern getötet hat und als äußerst gefährlich und gewalttätig eingestuft wird. Dennoch ist er auf Biehls Privatschule für unbestimmte Zeit aufgenommen.
Peter, Katarina und August sind sich sicher, dass irgendein Plan seitens der Lehrer, der Schulaufsicht und den involvierten staatlichen Stellen besteht. Sie glauben, dass die starren, sekundengenauen Abläufe und die drakonischen Strafen bei deren Übertretung darauf abzielen, den Ablauf der Zeit zu beeinflussen. Sie versuchen, diese Schemata zu stören und genaues über den Plan herauszufinden. Doch über allem droht die Gefahr der Eskalation. Denn Peter bemerkt immer deutlicher, dass August in diesem System verrückt zu werden droht.
Der 1994 erschienene Roman "Der Plan von der Abschaffung des Dunkels" des Dänen Peter Høeg wurde kein so gewaltiger Erfolg wie beispielsweise "Fräulein Smillas Gespür für den Schnee". Das liegt zum einen an der sehr philosophischen Art der Herangehensweise und zum anderen an der Zweiteilung des Romans. Beschäftigt sich der erste Teil mit den Vorgängen an einer dänischen Privatschule in den 70er Jahren - zweifellos ein autobiografischer Ansatz Høegs - reflektiert der zweite Teil in sehr komplexer Art und Weise den Text und seine Grundvoraussetzungen und Aussagen. Dies ist nicht leicht zu lesen und noch viel schwieriger zu verstehen.
Hermann Naber, erfahrener Hörspielregisseur versucht diesen Roman auf das Wesentliche, die Kerngeschichte, zu verkürzen und zu konzentrieren. Er umgeht dabei zwar die Schwierigkeiten, die der Leser mit dem Buch zweifellos hat, verzichtet aber auch weitestgehend auf die Möglichkeit, das Geschehen zu hinterfragen und zu durchleuchten.
Übrig bleibt eine seltsame Geschichte. Zwar fesselt das Schicksal Peters, Katarinas und Augusts, doch die Zielrichtung der Geschichte, der Grundton ist nur schwer zu erfassen. Ist es ein Drama, eine Vergangenheitsbewältigung, eine Abrechnung mit dem dänischen Schulsystem oder eine philosophische Betrachtung über die Zeit und deren Wirkung?
Immer wieder irritiert der Fortgang der Geschichte. Es entsteht eine extreme Spannung, die zu einer Zerreißprobe wird, als sich die Vorgänge um August plötzlich zu einem dramatischen Schlussakt hin entwickeln. Beinahe ohne Vorwarnung wird aus dem Drama ein Krimi. Wird aus den Ausbruchsversuchen Katarinas und Peters, die eigentlich nur herausfinden wollen, was an der Schule los ist, bitterer Ernst. Aus dem Versuch, den Fortgang der Zeit aufzuhalten, den Plan der Lehrer zu entschlüsseln, wird ein Drama ohne Ausweg.
Høeg versucht in seinem Roman die auf Perfektion und Leistung ausgerichtete dänische Gesellschaft an ihrem Grundkonsens zu packen und als Selbsttäuschung zu entlarven. In einer Schule wie in der Gesellschaft sind Prozesse, in denen Individuen involviert sind und die in Unkenntnis der Rahmenbedingungen handeln, nicht auf totalitärem Weg kontrollierbar und einem wie auch immer gearteten Ziel zuzuführen.
Høeg lässt keinen Zweifel daran, dass Schüler mit massiven Entwicklungsstörungen nicht auf selbem Wege wie normal begabte oder hochbegabte Kinder zu behandeln sind - und dass dies schon überhaupt nicht durch Kasernieren und minutiöse Abläufe funktioniert. Hinzu kommt, dass systemimmanent die Lehrer in diesem Versuch ihr Scheitern nicht eingestehen wollen und können und zu verbotenen Mitteln, sprich Gewalt, greifen. Nicht weil sie die Kinder schlecht behandeln wollen, sondern weil das System ihnen diese Reaktion ermöglicht und sie toleriert.
Dieses Plädoyer für eine menschliche Schule und eine pädagogisch fundierte Erziehung ist spannend, intensiv und stellt hohe Anforderungen an den Hörer. Es ist eine sehr gelungene Dramatisierung des teilweise recht langatmigen Romans und unbedingt zu empfehlen. Gleichzeitig lässt es so viele Fragen offen, dass man unweigerlich in Versuchung gerät, "De Maske egnede" in Schriftform zu erstehen.