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Im weiten blauen Meer ist der Regenbogenfisch der allerschönste Fisch. Er glitzert und schimmert wie ein Regenbogen. Die anderen Fische beneiden ihn um seine wunderschönen Schuppen und sähen gern auch so herrlich aus. Doch ihrem Wunsch kommt der Regenbogenfisch nicht nach. Er allein hat Glitzerschuppen, und so soll es auch bleiben. Er lehnt brüsk den Wunsch eines kleinen Fisches ab und schwimmt davon. Doch einsam und allein, ohne Freunde, gefällt es ihm auch nicht. Ein Seestern weist ihm den Weg zum weisen Tintenfisch. Der aber verlangt vom Regenbogenfisch auch, was die anderen Fische von ihm verlangten: Gib deine Schuppen ab und du wirst Freunde finden. Das aber will der Regenbogenfisch ganz gewiss nicht. Er schwimmt wütend davon. Ob er je Freunde finden wird?
Dieses Buch, erschienen 1996, begründete den Erfolg von Marcus Pfister. Seine Bücher wurden samt und sonders Bestseller und finden sich in fast jedem Kinderzimmer.
Dies also ist der Ursprung und Start seiner Karriere. Warum?
Es kann nicht an der simplen und ziemlich absonderlichen Geschichte liegen. Es ist eine seltsame Moral, dass ein stolzer und schöner Fisch nicht gemocht wird. Wenn er aber der Erpressung der anderen Fische Folge leistet und seine Glitzerschuppen alle - bis auf eine einzige - abgibt, mögen sie ihn und spielen mit ihm. Erst wenn alle Fische gleich aussehen, der Regenbogenfisch nichts Besonderes mehr ist und nicht mehr der schönste Fisch im Ozean, ist er wohl gelitten.
Sein Charakter scheint kongruent mit der Anzahl seiner Glitzerschuppen zu sein. Viele Schuppen gleich stolz und abweisend, allein und ohne Freunde. Eine Schuppe - wie jeder andere Fisch auch - gleich nett und zuvorkommend, in Gemeinschaft und mit zahlreichen Freunden. Sehr seltsame Moral. Und dass der "weise Tintenfisch" dieses von ihm verlangt, setzt dem die Krone auf - was soll dieses alberne Klischee, gepaart mit diesem Verlangen nach Anpassung?
Jetzt kann man einwenden, dass dies eine Interpretation eines Erwachsenen ist, die der Zielgruppe - Kinder ab vier Jahren - zuviel zumutet und falsche Maßstäbe anlegt. Dem sei geantwortet, dass diese Geschichte auch vom pädagogischen Standpunkt aus höchst ungünstige Lehren anbietet.
Sie suggeriert dem "hässlichen" Kind, dass es Freunde findet, wenn es von ihnen verlangt, sich nicht allzu schön zu machen. Und von den "schönen" Kindern verlangt die Geschichte, sich nicht aus der Masse heraus zu heben, sondern möglichst ähnlich zu sein und zu wirken wie alle anderen. Gleichmacherei ist die Botschaft.
Und wenn man es im übertragenen Sinn interpretieren würde, was aber ein Kind nicht kann, es versteht die Geschichte wortwörtlich, dann verlangt diese Geschichte, Eigensinn und Individualität abzulegen und sich den Wünschen der Mehrheit anzupassen.
Das kann also nicht der Grund für den Erfolg sein. Bleiben die Bilder und die Besonderheit dieses Buches, wie auch vieler anderer Bücher von Marcus Pfister: die Diffraktionsfolie.
Die Bilder sind ein wichtiger Grund für den Erfolg, aber kein hinreichender. Sie sind schön und liebenswert, aber sie zeigen immer nur den einen Fisch und seine nicht-glitzernden Verwandten - zuwenig für den enormen Erfolg.
Bleibt einzig und allein die Diffraktionsfolie. Sie ist einzigartig, oder war es 1996, und verführt Erwachsene, dieses Buch zu kaufen, und reizt Kinder allein aus optischen Gesichtspunkten zum Kauf.
Dieser Schlüsselreiz ist so stark, dass jeder dieses Buch in die Hand nimmt, wenn es zwischen den anderen Bilderbüchern liegt, und er führt öfter zum Kauf, als es der Inhalt oder die Bilder erreichen könnten. Den Erfolg kann man an der enormen Folgeproduktion von Büchern mit diesen Folieneffekten ablesen.
Fazit: Es ist eindeutig, dieses Bilderbuch ist schlecht. Sein Erfolg liegt in dem brillanten Einfall, eine Folie in die Bildoberfläche einzulassen, die bei wechselndem Lichteinfall kleine Kreise aufleuchten lässt. Dieser Effekt, der die Folie in allen Regenbogenfarben schillern lässt, reicht aber nicht als Grund, dieses Buch zu kaufen. Es gibt wunderschöne Bilderbücher von Marcus Pfister, der vor allem als Zeichner großes Talent beweist und es in zahlreichen Publikationen nachweist. Kaufen Sie eins dieser Bücher - und zwar eines der Bücher, die ohne Diffraktionsfolie auskommen - es sind seine Besten!