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Juan Fernandez de Heredia ist ein Ritter des Hospitaliterordens. Als das Pferd König Philips VI. von Frankreich in der Schlacht von Crecy, 1346, von einem Bogenschützen der Engländer niedergeschossen wird, bietet er diesem sein eigenes Ross an. Die Konsequenz daraus ist tödlich, denn Juan kann zu Fuß aus der Mitte der gegnerischen Truppen nicht entkommen. Wie ein Wildgewordener kämpft er um sein Leben, tötet alle, die vor sein Schwert geraten. Doch die Menge der anstürmenden Engländer ist zu groß, und während er den einen Kämpfer noch abwehrt, stößt ein anderer ihm bereits sein Schwert tief in den Magen. Doch Juan scheint dieser Welt bereits entrückt. Wenige Momente zuvor hatte sich das Schlachtfeld um ihn herum verwandelt. Statt angreifenden Menschen sieht er nur noch den Tod. Lebende Leichen, die auf ihn einstürmen. Und in dem Moment, der seinen eigenen Tod hätte bedeuten sollen, sieht er nicht einen Mann, der sein Schwert tief in seinen Körper bohrt, sondern ein Einhorn. Genau dort, wo das Schwert seinen Körper durchdringt, erkennt er das Horn des Fabeltieres, welches den Ordensritter hoch in die Luft über das Schlachtfeld hebt. Auf einem Fels schwebt er über einer Armee der Toten, bevor das Einhorn ihn hinabwirft zwischen all die anderen Leichen. Juan sieht sein Leben an sich vorbei ziehen: seine Geburt, seinen Vater, seine ersten Übungen an der Waffe. Und er sieht auch, wie er sich von einem einfachen Mann des Glaubens in eine Bestie des Kampfes verwandelt. Wie durch ein Wunder überlebt Juan jedoch den Schwertstoß. Als er zwischen all den anderen Leichen auf dem Schlachtfeld erwacht, steht vor ihm erneut das Einhorn. Fortan sucht und jagt er das Fabelwesen, auf der Suche nach der alles entscheidenden Frage: warum?
Der Ritter und das Einhorn ist eine ganz eigene Art der Bilderzählung. Mit nur sehr wenig Text zeigen allein die Bilder die verzweifelte Suche von Juan Fernandez nach Erlösung. Gezeichnet durch die Schrecken des Krieges stolpert der Protagonist durch Frankreich, vorbei an den Eckpunkten der spätmittelalterlichen Geschichte: angefangen in Crecy, einer der Schlachten im Hundertjährigen Krieg, vorbei an der Pest, dem Papsttum in Avignon und der Judenverfolgung. Auf ganz subtile Weise zeichnet der Comic somit das Bild einer historischen Epoche. Überzeugend und stimmig dargestellt. Die Suche nach dem Einhorn, bringt Juan Fernandez zu Anhänger verschiedener Religionen, deren Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten in den verschiedenen Interpretationen des gleichen Fabelwesen gezeigt werden.
Die Geschichte selbst wirkt jedoch eher konfus und auf den ersten Blick etwas nichtssagend. Die poetische Verarbeitung eines Kriegstraumas wird zwar deutlich, durch die Entrückung des Charakters und das Fabelwesen des Einhorn behält der Leser jedoch eine zu große Distanz, um wirklich mitzufühlen. Juan bleibt dem Leser daher immer etwas fremd, die ganze Situation weit entfernt.
Obwohl in einem Comic Illustrationen immer im Zentrum stehen, ist der Bildsprache in diesem Band ein besonderer Platz eingeräumt. Nur auf wenigen Panels gibt es überhaupt Text, erzählt wird allein durch Gesichtsausdrücke, die Haltung der Figuren und die Farbgebung der Panels. Und doch sind manche Seiten sehr kleinteilig. Nur selten wird den Zeichnungen auf einem Halbseiter Platz gegeben. Die Bilder, alle unterschiedlich und doch gleichsam aussagekräftig und schön - wie etwa der Palast des Papstes in Avignon, die Einhörner, die sich aus Wolken bilden, oder die einsame, schneeverwehte Hütte im Wald - beeindrucken dennoch. Handwerklich gut ist ebenso die Darstellung von Juans Gesichtsausdrücken, die seinen inneren Kampf erzählen. Und doch fehlt es auch hier letztlich an etwas, um den Leser vollständig in die Geschichte hereinzuholen.
Der Ritter und das Einhorn ist durchaus ein beeindruckendes Album. Idee und zeichnerische Umsetzung sind großartig, der Entwurf einer ganzen Epoche hervorragend gelungen. Doch lässt die Geschichte den Leser stellenweise unberührt und verwirrt. Die Distanz zwischen Leser und Protagonist wird nie ganz überbrückt, und so bleibt der Band letztlich etwas belanglos. Wirklich schade.
Eine Leseprobe gibt es auf der Website des Splitter Verlags.