Der Roman "Der bunte Schleier" des Schriftstellers William Somerset Maugham - im Englischen unter dem Titel "The Painted Veil" bekannt - stammt aus dem Jahr 1925 und wurde bereits zweimal verfilmt, unter anderem 1934 mit Greta Garbo. 2006 erschien eine weitere Adaption von Regisseur John Curran, der bereits mit "Praise" und "We Don’t Live Here Anymore" seine Affinität zu Dramen zeigte.

London, 1925: Kitty Garstin ist eine lebenslustige, verwöhnte junge Frau, die vor allem an ihr Vergnügen und ihre Unterhaltung denkt. Um ihrer Mutter und all den gesellschaftlichen Verpflichtungen zu entgehen, heiratet sie den jungen Arzt Walter Fane, der sie mit nach Shanghai nimmt, wo er als Bakteriologe für die Regierung arbeitet. Schon bald langweilt sich Kitty an der Seite des zurückhaltenden und arbeitsamen Wissenschaftlers und sucht ihr Glück in einer Affäre mit dem britischen Vizekonsul Charlie.
Walter mag weltfremd sein, aber dumm ist er sicherlich nicht: Er entdeckt, was seine Frau hinter seinem Rücken treibt, und stellt sie vor die Wahl: Entweder er reicht die Scheidung ein und gibt ihre Affäre als Grund an - ein undenkbarer Fauxpas, der Kitty und ihrer Familie nichts als Schande bringen würde - oder sie begleitet ihn auf eine gefährliche Reise. Walter will in einem entfernten Dorf, in dem die Cholera ausgebrochen ist, helfen und zugleich forschen.
Kitty muss ihn begleiten. Sie ahnt noch nicht, was auf sie zukommt: Elend und Tod sind mit der Cholera in das Dorf eingezogen, Tag für Tag infizieren sich die Menschen und sterben eines qualvollen Todes. Und Walter hat offenbar kein größeres Vergnügen, als Kitty für ihren Fehltritt leiden zu lassen …

Mit Edward Norton und Naomi Watts in den Hauptrollen zeigt sich das Drama "Der bunte Schleier" in starker Besetzung; mit Liev Schreiber ("Der Manchurian Kandidat"), Toby Jones ("The Mist") und Anthony Wong ("Infernal Affairs") kann sich aber auch der Stab an Nebendarstellern absolut sehen lassen.
Und dieses Ensemble trägt den Film über die gesamte Dauer von knapp zwei Stunden mühelos. Naomi Watts brilliert als oberflächliche Kitty, die während ihres Aufenthalts im Cholera-Gebiet reift und über sich selbst hinauswächst. Neben ihr spielt Norton gewohnt stark auf, und obwohl die beiden nicht unbedingt als Traumpaar bezeichnet werden können, harmonieren sie in ihrem mitunter improvisierten Spiel wunderbar. Die traurige Liebesgeschichte der beiden ist gefühlvoll und kommt ohne überbordenden Kitsch aus. Vor allem der Anfang, der abwechselnd in Rückblenden Kittys bisher wohlbehütetes Leben, ihre Ehe mit Walter und ihre Affäre mit Charlie, gespielt von Schreiber, und die harte Gegenwart der Reise zu dem verseuchten Dorf zeigt, packt den Zuschauer und zieht ihn mitten hinein in eine Geschichte aus Liebe, Schuld und Sühne.
Eine jedoch stiehlt den beiden Stars, die übrigens auch als Produzenten fungierten, die Show: die Kulisse. In China gedreht, strahlt jedes Landschaftsbild eine stimmige Atmosphäre aus und kann zusammen mit der wundervollen Musik, an der unter anderem der chinesische Starpianist Lang Lang mitwirkte, das China der zwanziger Jahre auferstehen lassen - sowohl das bunte Treiben Shanghais als auch das traditionelle und teils harte Leben in den Dörfern. Vor allem die Auswirkungen der Cholera werden behutsam in Bildern eingefangen und weder plakativ noch beschönigend dargestellt.

Die Extras sind im Gegensatz zum opulenten Film eher mager ausgefallen: Außer einer Trailershow und dem deutschen Originaltrailer zum Film gibt es nur ein paar, teilweise recht kurz ausgefallene Interviews mit den Schauspielern und Regisseur Curran. Allerdings kann sich die Aufmachung der DVD-Hülle sehen lassen, die sich in gediegenen Farben und mit einem schicken Pappschuber präsentiert.

Opulente Bilder, zwei gut aufgelegte Hauptdarsteller und wunderschöne Filmmusik: "Der bunte Schleier" ist ein bewegender Film, der den Geist der zwanziger Jahre in China gut einfängt und eine tragische, meistens kitschfreie Liebesgeschichte mit den Schrecknissen der Choleraepidemie miteinander verbindet. Gefühlvolles, prachtvolles Kino.