Keine außenpolitische Diskussion spaltet die deutsche Öffentlichkeit dermaßen wie der Nahostkonflikt. Diese Spaltung betrifft in besonderer Weise auch die Linke in Deutschland. Peter Ullrich untersucht in seinem Buch "Deutsche, Linke und der Nahostkonflikt" worauf die mitunter erbittert geführten Kämpfe zwischen proisraelischen und propalästinensischen Linken herrührt. Er will damit auch einen Beitrag zur Überwindung miteinander unvereinbarer Maximalpositionen leisten.

Auf über 200 Seiten beschreibt der Autor systematisch mit diskursanalytischen Instrumenten die Diskussion innerhalb der deutschen Linken der Gegenwart. Ullrich stellt in jedem der neun Kapitel immer auch seinen eigenen Standpunkt und seine methodischen Grundlagen dar. Er argumentiert aus einem emanzipatorischen Standpunkt, der die Menschenrechte aller Menschen als Maßstab formuliert. Aus dieser Perspektive analysiert er sowohl einen radikalen proisraelischen Standpunkt kritisch als auch einen radikal propalästinensischen. Problematisch werden diese einseitigen Positionierungen immer dann, wenn sie anschlussfähig werden, an Diskurse, die sonst einem links-emanzipatorischen Standpunkt widersprechen, also wenn beispielsweise Kritik an der israelischen Besatzungspolitik in der Westbank zur Verharmlosung von Antisemitismus führt oder aber mit problematischen Bündnispartnern zusammengearbeitet wird. Andersherum wird es inakzeptabel, wenn aus Israelsolidarität eine Dämonisierung und rassistische Abwertung von Palästinensern oder Arabern folgt.

In den ersten vier Kapiteln des Buches geht es vor allem um diese Diskurse in der Linken. Im zweiten Drittel liegt der Fokus auf der gesamtdeutschen Ebene, die den Kontext des linken Diskurses bildet. Dabei wird auch der DDR ein Kapitel gewidmet. In den letzten beiden Kapiteln geht es um den Diskurs innerhalb der Partei Die Linke. Das Buch endet mit einem Literaturverzeichnis und einem Register.

Peter Ullrichs Buch "Deutsche, Linke und der Nahostkonflikt" ist eine fundierte soziologische und diskursanalytische Auseinandersetzung mit dem deutschen und linken Umgang mit dem Nahostkonflikt. Der Autor schreibt dabei auf einem durchgehend hohen wissenschaftlichen Niveau. Er bezieht dabei selbst immer einen klaren Standpunkt, ohne dabei jedoch seine kritische Distanz aufzugeben. Dieses Buch ist daher sowohl aus wissenschaftlichem wie auch aus politischem Interesse spannend zu lesen.

Wissenschaftlich interessierte Leser finden in diesem Werk ein methodisch überzeugendes Beispiel fruchtbarer Anwendung der Diskursanalyse. Politisch interessierte Leser, insbesondere wenn sie selbst schon an Diskussionen über den Nahostkonflikt innerhalb linker Gruppen teilgenommen haben, finden in dem Buch eine treffende Analyse der Problematik und Schwierigkeiten, die diesen Diskurs auszeichnen. Der konsequente Standpunkt, allein die Emanzipation und Menschenrechte aller Menschen zum Maßstab des Diskurses zu erheben, ermöglicht eine kritische Betrachtung aller einseitigen Positionierungen und perspektivisch die Überwindung unvereinbarer Gegenpositionen, die sich gegenseitig versuchen auszuschließen und mitunter selbst zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit führen.

Einzig kritisch ist an diesem sehr lesenswerten Buch, die durchgehend wissenschaftlich-analytische Sprache. Es wird durchweg diskursanalytisches Fachvokabular benutzt und oft in Schachtelsätzen verbaut. Die Lektüre ist daher nicht gerade leicht verdaulich, ohne Übung in der Lektüre sozial- oder geisteswissenschaftlicher Texte. Da dem Werk durchaus ein breiterer Leserkreis zu wünschen ist, wäre eine einfachere Sprache wünschenswert gewesen.

Dennoch ist das Buch allen zu empfehlen, die ein wissenschaftliches oder politisches Interesse an der Auseinandersetzung um den Nahostkonflikt haben!