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"Es war einmal, da gab es eine Geschichte so voll edler Abenteuer und wahrer Liebe, dass sie über Nacht zu einem Klassiker wurde ..." "Die Brautprinzessin" von William Goldman kann ohne schlechtes Gewissen als Klassiker der Fantasy- und Abenteuer-Literatur bezeichnet werden. Das Buch bezaubert seit vielen Jahren Leser aller Altersklassen - wegen seiner satirischen Art vor allem wohl Erwachsene - und hat sich einen Kultstatus erworben. Wie bunt, wie übervoll mit atemberaubenden Ereignissen die Geschichte ist, verrät uns schon der Klappentext: "Worum geht es in diesem Buch? Fechten. Ringkämpfe. Folter. Gift. Wahre Liebe. Hass. Rache. Riesen. Jäger. Böse Menschen. Gute Menschen. Bildschöne Damen. Schlangen. Spinnen. Wilde Tiere jeder Art und in mannigfaltigster Beschreibung. Schmerzen. Tod. Tapfere Männer. Feige Männer. Bärenstarke Männer. Verfolgungsjagden. Entkommen. Lügen. Wahrheiten. Leidenschaften. Wunder ...". Ganz schön viel - aber diese Dinge kommen tatsächlich allesamt vor, und man hat beim Lesen kaum Zeit zum Luftholen. Es ist, als hätte Goldman sich vorgenommen, wirklich alle Elemente der Abenteuerliteratur augenzwinkernd in einem einzigen Buch unterzubringen. Bei vielen anderen wäre dieser Versuch schief gegangen, aber der Autor hat es geschafft, eine sehr klassische und ironische Geschichte zu schreiben, ohne daneben zu greifen. Die "Brautprinzessin" ist gleichzeitig Genre-Parodie und ernst gemeinter Roman. Als das Buch 1977 erschien, wurde es von den Kritikern fast nicht beachtet, entwickelte sich aber zum heimlichen Bestseller.
Die Geschichte beginnt im Lande Florin. Butterblume, ein junges Mädchen, verliebt sich in den Stalljungen Westley. Doch als Westley fortgeht, um Geld für eine gemeinsame Zukunft mit Butterblume zu verdienen, fällt er dem grausamen Piraten Roberts zum Opfer. Als Butterblume von Westleys Tod erfährt, beschließt sie nie mehr zu lieben.
Aufgrund Butterblumes atemberaubender Schönheit interessiert sich sehr bald der zukünftige Herrscher von Florin, Prinz Humperdinck, für sie. Vor die Wahl zwischen Tod und Heirat gestellt und unter dem Vorbehalt, den Prinzen niemals zu lieben, willigt Butterblume ein. Doch es regt sich Böses in Florin - kurz vor der Hochzeit wird Butterblume von einem merkwürdigen Trio entführt, bestehend aus einem riesenhaften Türken, einem nadeldürren Spanier und einem bösartigen Sizilianer. Und noch jemand interessiert sich für Butterblume: ein rätselhafter, ganz in schwarz gekleideter maskierter Unbekannter ...
Es sind vor allem die - teilweise skurrilen - Charaktere, die das Buch so liebenswert machen: Da ist Butterblume, die wunderschön und anmutig, aber bei ehrlicher Betrachtung auch ziemlich blöd ist. Da ist Westley, der Stalljunge, nach Butterblumes Ansicht "arm, aber perfekt". Da ist der stolze Spanier Inigo Montoya, dessen Leben nur einen einzigen Sinn hat: Er muss den grausamen Graf Rugen finden und töten, denn der hat Inigos über alles geliebten Vater heimtückisch ermordet und Inigos Gesicht entstellt. Da ist Fezzik, der sanftmütige Riese, der wahrscheinlich der stärkste Mann der Welt, aber ansonsten ziemlich beschränkt ist. Da ist Vizzini, der ebenso böse wie brillante Sizilianer. Und da ist natürlich Prinz Humperdinck, ein Jäger aus Leidenschaft, der zwar aussieht wie ein menschliches Fass, der aber hochgefährlich ist und sich die Zeit am liebsten mit dem Abschlachten von Tieren in seinem privaten Todeszoo vertreibt.
Das Buch ist so gelungen, weil Goldman einerseits alle Klischees der Abenteuerliteratur bis ins Letzte ausreizt, andererseits aber niemals lächerlich oder schlecht wird. "Die Brautprinzessin" dürfte so ziemlich die komischste Abenteuer- und Liebesgeschichte sein, die es gibt. Gleichzeitig ist das Buch ungeheuer spannend und aufregend, dramatisch und stellenweise sehr traurig. Man kann es nicht mehr aus der Hand legen, nachdem man es einmal angefangen hat.
Eine der Besonderheiten der "Brautprinzessin" ist eine Art Rahmenhandlung, die mit dem Vorwort beginnt: Der Autor William Goldman will dem Leser weismachen, es handle sich bei diesem Buch um eine gekürzte Version eines Buches von S. Morgenstern, einem berühmten Schriftsteller aus Florin. Goldman hat Morgensterns Buch als Junge angeblich von seinem Vater vorgelesen bekommen und es geliebt. Als er aber die "Brautprinzessin" als Erwachsener zum ersten Mal selbst in die Hand nimmt, ist er entsetzt: Die Geschichte, die in seiner Erinnerung so spannend und wunderbar war, ist sterbenslangweilig und kompliziert, seitenlange Beschreibungen von historischen und politischen Details machen sie nahezu unlesbar.
Goldman entschließt sich daher kurzerhand, Morgensterns Klassiker neu herauszubringen - als radikal gekürzte Fassung, die nur noch die spannenden Stellen enthält.
Aber aufgepasst: Es gibt keinen S. Morgenstern. Es gibt auch kein Florin, keine ungekürzte Fassung und keine Neuauflage. Goldman spielt nur mit dem Leser, er hat die "Brautprinzessin" natürlich von der ersten bis zur letzten Seite selbst geschrieben. Dieser kleine Trick erlaubt ihm, sich als Autor immer wieder selbst in die Geschichte einzuschalten und seine Kürzungen sowie den "wahren Autor" S. Morgenstern zu kommentieren. Goldmans Vorwort ist witzig und interessant, aber vor allem für Kinder könnte es unverständlich und langatmig sein. Wenn man möchte, kann man diese Seiten daher komplett überspringen, die eigentliche Geschichte ist in sich geschlossen und auch ohne Goldmans Ausführungen vollständig.
Zur Altersfreigabe kann man sagen, dass das Buch wohl auch jüngere Kinder fesseln wird, auch wenn die Geschichte letztendlich recht komplex ist; lediglich die Szenen im Todeszoo könnten zu grausam sein. Goldmans Anmerkungen und die zahlreichen satirischen Elemente verstehen aber wohl nur jugendliche und erwachsene Leser.
Fazit: "Die Brautprinzessin" ist ein Muss für Fans von Märchen, Abenteuern, Fantasy und Mantel-und-Degen-Geschichten. Goldmans Geschichte geht ans Herz und unterhält von der ersten bis zur letzten Seite. Wenn der Autor schamlos über seine eigene Schöpfung schreibt "Dieses Buch ist mir das liebste auf der Welt", dann möchte man ihm ohne Vorbehalt zustimmen. Wer gerne auf Englisch liest, sollte auch einen Blick in "The Princess Bride" werfen - in der englischen Originalfassung ist die Geschichte vor allem sprachlich besser und humorvoller.
Es gibt übrigens auch eine Verfilmung des Romans, mit Robin Wright Penn als Butterblume und Cary Elwes als Westley. Sehenswert ist der (inzwischen verstorbene) Wrestler "Andrew the Giant" als riesenhafter Fezzik. Die Verfilmung ist witzig und hält sich an die Vorlage, obgleich sie im Vergleich zum Buch stark gekürzt ist und die Handlung stellenweise leicht abwandelt. Als "Sonntagsnachmittags-Unterhaltung" ist der Film aber durchaus gelungen.