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Wie kommt man eigentlich dazu, Schwebfliegen zu sammeln? Selbst für einen ausgebildeten Biologen und Geologen handelt es sich dabei nicht unbedingt um das nächstliegende Hobby, insbesondere, wenn es auf einer kleinen schwedischen Insel mit dreihundert Einwohnern ausgeübt wird.
Die genannte Frage und so manches weitere Rätsel der Menschheit oder vielmehr der von Strindberg und dem Autor des vorliegenden Buchs so genannten Knopfologie, sprich, einer scheinbar unsinnigen Sammelleidenschaft, werden in "Die Fliegenfalle" so weit beantwortet, wie dies überhaupt möglich ist.
Zunächst beschreibt der Autor seinen nicht ganz geradlinigen Weg hin zum Schwebfliegensammeln, übrigens angesichts von 4424 allein in Schweden vorkommenden Arten und deren verbreiteter Ähnlichkeiten untereinander durchaus ein anspruchsvolles Hobby. Auch solche Details lernt der Leser des Buchs kennen, nachdem er den als junger Mann am Theater für die Requisiten verantwortlichen Autor erst einmal zusammen mit einem als Requisit verwendeten lebenden Lamm durch eine Inszenierung des Stücks "Fluch der verhungernden Klasse" begleitet hat. Plausibel legt der Autor dar, dass diese Erfahrung ihn dazu geführt hat, seiner Schwebfliegenleidenschaft nachzugeben.
In insgesamt achtzehn Kapiteln berichtet Sjöberg nicht nur vom Charme der Schwebfliegen, dieser harmlosen Fliegen in nachgeahmten Wespen- und Hummelkörpern, und den zum Schwebfliegenfangen notwendigen Fallen und Fertigkeiten sowie den Tücken bei der Unterscheidung einzelner Arten, sondern vor allem auch von seinem Landsmann René Malaise, einem wahren Prototyp von Strindbergs "Knopfologen". Kunstvoll eingefügt in diverse Kapitel, steht die Biografie des abenteuerlustigen Entomologen und Tausendsassas Malaise im Zentrum des Buchs, denn das bewegte Leben dieses Mannes liefert reichlich Aufhänger zu philosophischen Betrachtungen, ebenso wie das Schwebfliegensammeln selbst: über "das Glück der Versenkung in seltsame Passionen, die Seele des Sammlers, Fliegen und das Leben mit der Natur", wie der Untertitel treffend aussagt - und ein klein wenig auch über Faszinosa wie Liebe, Tod und Kunstfälschungen. Wobei das Letztgenannte sich besonders gut einfügt in ein Buch über eine Insektengruppe, die schier zahllose Meister der Mimikry hervorgebracht hat.
Schwebfliegensammeln als ein Weg zum Lebensglück: was vor der Lektüre auf jeden, der nicht gerade Entomologe (Insektenkundler) oder selbst Sammler auf einem ausgefallenen Gebiet ist, herzlich absurd wirkt, gewinnt Kapitel für Kapitel an Überzeugungskraft. Eine solche Passion bringt, wie der Autor anschaulich und kurzweilig darzustellen weiß, nicht nur Befriedigung, wenn ein besonders ausgefallenes "Stück" in die Falle geht - beim Insektensammler im wahrsten Sinne des Wortes -, sondern sie entschleunigt das Leben und sorgt für ein gesundes Maß an Beschaulichkeit.
Spätestens hier stellt sich die Frage nach der Kategorie, in die dieses Buch einzuordnen ist: mehrere? Keine? Es enthält reichlich Naturkunde, immerhin sollte der Leser im Anschluss an die Lektüre in der Lage sein, Chrysotoxum vernale nicht ohne Weiteres von Chrysotoxum arcuatum unterscheiden zu wollen, noch mehr Biografie und einen ganz entscheidenden Schuss Philosophie und Gesellschaftskritik. Allerdings wird die Gesellschaftskritik so charmant und mit einem dezenten Schmunzeln dargeboten, dass sich der Leser nicht betroffen fühlen muss; es handelt sich um ein Angebot. Sjöberg bricht eine Lanze für all jene kuriosen Persönlichkeiten, die sich in eine scheinbar nutzlose Leidenschaft verrennen, sich vielleicht auch über lange Strecken irren, aber auf ihre Weise Erstaunliches leisten und vor allem damit glücklich werden. Und wenn es, wie Sjöberg darlegt, für Entomologen ein Liebesbeweis ist, eine neu entdeckte Gliederfüßerart nach der Angebeteten zu benennen, so hat dies wohl einen besonderen und bleibenden Reiz.
Fast schon nebenbei wird der Leser mit spannenden Ausschnitten der Literatur- und Kunstgeschichte konfrontiert und sieht sich gegen Ende des Buchs unversehens einem regelrechten Krimi um eine Rembrandt-Fälschung gegenüber. Mit Fliegen hat dies nichts zu tun, wohl aber mit dem Entomologen und "Knopfologen" René Malaise, der hier noch einmal einen beeindruckenden Auftritt zugestanden bekommt.
Ein Buch also, das die Welt vielleicht nicht unbedingt braucht, das sie jedoch bereichert dank seiner Farbigkeit, dem kunstvollen Jonglieren mit Themen, seinem spritzigen Charme und feinsinnigen Humor und den zahlreichen darin eingebetteten klugen und provokativen Gedanken. Sjöberg bietet seinen Lesern unaufdringlich das Rüstzeug dazu, sich mit individuellen Wegen zum Lebensglück auseinanderzusetzen.