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Nachdem sie George beim Medikamentenmissbrauch erwischt haben, wird er an Dr. Haber überwiesen. Der Spezialist für Traumanalyse und Psychosen ist überzeugt, dass George kein schwerer Fall ist. Doch bereits der erste Traum, den er bei seinem neuen Patienten induziert, verwirrt den Fachmann. An der Wand hinter ihm hängt ein riesiges Bild eines rotbraunen Pferdes. Und für einen Augenblick ist sich der Arzt sicher, dass dort das Gemälde eines schneebedeckten Berges hing. Er wischt den Gedanken beiseite, das Pferd scheint ihm zwar unpassend, aber es hängt nun mal immer schon da und die Behauptung von George Orr, seine Träume veränderten die Realität, ist für ihn absurd.
Aber jede weitere Sitzung, in der er bei George Träume induziert, verändert die Realität. George ist sich sicher, dass der Arzt das bemerkt, befindet er sich doch unmittelbar im Zentrum der Veränderungen und induziert sie quasi durch den Traum, den er George zwingt zu träumen. Aus den schwachen Veränderungen der Wirklichkeit werden größere. Aus einer mit sieben Milliarden Menschen überbevölkerten und chaotischen Welt voller Kriege wird eine Welt, die wohlorganisiert scheint, eine Milliarde Menschen gehen ihren Tätigkeiten nach und immer mehr "Dinge", die den Arzt und Weltverbesserer Haber stören, sind nach einer Sitzung mit George schon immer so gewesen, wie sich der Arzt das erhofft und wünscht.
Nur George verzweifelt immer stärker an dieser sich wandelnden Realität. Er hat Angst, in den für ihn unbewussten Träumen alles zu vernichten oder derart zu verändern, dass die Realität durch etwas Widernatürliches ersetzt wird.
Fast zu spät erfasst George, dass nicht er und seine Angst vor seinen Träumen eine Gefahr sind, sondern der unstillbare Wille des Arztes, Frieden, Gleichförmigkeit und Berechenbarkeit für die Welt zu "erschaffen". Als eines Morgens alle Menschen eine graue Hautfarbe haben - immer schon hatten -, absolute Konformität herrscht und seine geliebte Heather, eine braunhäutige, unangepasste, harte Frau, nicht mehr existiert, nichts mehr existiert, wie es in seinem Gedächtnis noch am Tage zuvor gewesen ist, es Kriege zwischen den Menschen nicht mehr gibt und stattdessen Außerirdische als gemeinsame Bedrohung bekämpft werden, spürt George, dass er entweder nie mehr träumen darf oder er sich dem Einfluss von Dr. Haber entziehen muss. Der aber hat bereits den Plan gefasst, ohne George die Realität zu verändern, und braucht nur noch wenige Sitzungen mit seinem widerstrebenden Patienten, um dieses Ziel zu erreichen.
Bereits 1971 erschien die Originalausgabe von "Die Geißel des Himmels". Dankenswerterweise veröffentlichte im April 2006 "Edition Phantasia" dieses bereits seit vielen Jahren vergriffene Buch der amerikanischen Erfolgsautorin. Zudem ist es die erste ungekürzte Ausgabe dieses Romans.
Mit ihrer sachlichen, einfachen Sprache, ihren klaren und deutlichen Beschreibungen der Umstände und der beeindruckend lebendigen Charakterisierung der Menschen fasziniert Ursula Kroeber Le Guin seit Jahrzehnten eine wachsende Leserschaft. Hier, fast ganz am Anfang ihres Schaffens, ist leider vieles noch nicht so perfekt, wie es der aufmerksame Leser ihrer Romane ("Erdsee") gewohnt ist. Sehr viele medizinische Details, die der Geschichte zwar den Anschein des Realismus geben, die aber oft langatmig und in ihrer Komplexität überflüssig für den Fortgang der Geschichte erscheinen, sind immer wieder Hemmnisse. Sie zerstückeln bisweilen den Fluss dieser einfachen und spannenden Geschichte. Erst im Mittelteil des Buches, wenn sich die Geschehnisse überstürzen und fast ein Kriminalroman aus dieser Psychostudie des Duells zwischen Psychoanalytiker und Patient, zwischen zwanghafter Psychoanalyse und naivem menschlichen Handeln wird, unterlässt Le Guin diese Details und wendet sich ihrem eigentlichen Anliegen zu. Sie hinterfragt, ob es "Das Gute", "Das Richtige", "Die Wahrheit" im menschlichen Handeln und einer kulturellen Gesellschaft geben kann. Ob Psychoanalyse und die Erforschung des Unbewussten die Realität abbildet oder nur im Machtverhältnis zwischen Arzt und Patient entsteht und eine Tautologie ihrer selbst darstellt. Sie wendet sich sehr kritisch gegen den (damaligen) Fortschrittsglauben, eine staatliche Kontrolle der Verhaltensweisen der Bürger (Stichwort "McCarthy-Ära") und beantwortet die Frage, ob Krieg, Rasse, soziale Ungleichheit, Armut, Krankheiten, genetische Schwankungen des Erbgutes und die Erziehung der Kinder in der Zukunft der Menschheit moralisch zu lösende oder zu regelnde Aufgaben einer wie auch immer gearteten Führung sein sollten, eindeutig mit Nein. Die Menschen entscheiden weitgehend selbst über ihr Schicksal und ihre Lebensweise, und auch Kriege sind nicht a priori "unnatürlich" und damit ausmerzbar.
Leider ist der Roman viel zu kurz, um auch nur einige dieser Denkansätze weiter zu verfolgen. Das ist jedoch auch kaum die Aufgabe eines Science-Fiction-Buches.
Fazit: Dieses Buch ist spannend und verstörend zugleich. Lässt man sich auf den Grundgedanken der Autorin ein, dass Träume die Realität verändern können, faszinieren ihre Thesen und fesselt ihre Darstellung. Leider endet der Roman an genau der Stelle, an der diese Frage relevant wird. Sie öffnet die Tür für die Fantasie des Lesers und beendet ihren Beitrag dazu. Bis auf einige langatmige Passagen und die auffallende Konfliktarmut der ganzen Geschichte ist dies ein wichtiges Werk der Autorin und ein wesentlicher Beitrag zur Geschichte der Science-Fiction-Literatur. Es ist nicht der beste Roman von Ursula K. Le Guin, aber einer ihrer philosophischsten.