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In Mythen aus allen Epochen und Religionen, Sagen, Legenden und anderen Überlieferungen, nicht selten auch in moderner Literatur, finden sich fiktive Orte – Orte, die die Sehnsucht vieler Menschen beflügelten und sie nötigten, nach diesen Ländern, Inseln und anderen Plätzen zu suchen. Man denke nur an das rätselhafte Atlantis oder, etwas bescheidener, an Robinson Crusoes einsame Insel.
Umberto Eco befasst sich in "Die Geschichte der legendären Länder und Städte" mit solchen Stätten, beginnend mit "Die Erde als Scheibe und die Antipoden" über "Die Länder der Bibel", die von Homer beschriebenen Länder und die sieben Weltwunder, das besagte Atlantis, "Die Wanderungen des Grals", das Schlaraffenland, "Die Erfindung von Rennes-le-Château" und vielen anderen bis hin zum abschließenden der 15 Kapitel, "Die literarischen Stätten und ihre Wahrheit". Ein Autoren- und ein Künstlerregister sowie das Register der anonymen Werke, ein Nachweis der Filmbilder, ein Textnachweis, die Allgemeinbibliographie und der Fotonachweis bilden den Anhang.
Jedem von uns sind die meisten oder sämtliche Namen in Ecos Buch bereits im ein oder anderen Kontext begegnet, und etliche Leser dürften zugeben, dass sie sich von den Legenden um diese Orte haben faszinieren lassen. Atlantis ist natürlich der große Vorreiter und erhält dementsprechend ein recht komplexes Kapitel, zumal es hierzu reichlich und teils sehr widersprüchlichen Stoff gibt. Gegensätzliche Darstellungen finden sich allerdings auch in vielen anderen Kapiteln. Zu den dargestellten Orten gehört ebenso das legendäre Arkadien, es treten Städte auf, Burgen und manchmal "gewöhnliche" Gebäude wie Rick's Café aus "Casablanca" oder Sherlock Holmes' Domizil in der Baker Street.
Eco beginnt sämtliche Abschnitte mit einer sehr ausführlichen Einleitung, in der er entweder einen chronologisch oder einen inhaltlich orientierten Überblick über die zur Verfügung stehenden Informationen zum jeweiligen Thema gibt. Anschließend führt er die relevanten, unterschiedlichen Autoren und Texte in teils kurzen, teils ausführlichen Zitaten auf. Hier setzt auch die Kritik an: Diese Auflistung von Zitaten bleibt völlig unkommentiert; das mag für Leser mit einer so umfangreichen humanistischen Allgemeinbildung wie jene von Umberto Eco in Ordnung gehen, doch dem Laien ohne dieses komplexe Hintergrundwissen erschließt sich die Bedeutung nicht immer, die Zitate lassen sich vom Leser nicht unbedingt gewichten und interpretieren. Bei seitenlangen Zitaten stört auch die sehr kleine Schrift ein wenig den Lesegenuss. Dieses Manko besteht allerdings bei den Einführungen nicht.
Je nach Interesse können die Kapitel nicht nur der Reihenfolge nach gelesen, sondern auch einzeln "herausgepickt" werden, ohne dass Informationen fehlen. Im Gegenteil, es ergeben sich durch den in sich abgeschlossenen Charakter der Abschnitte diverse inhaltliche Wiederholungen. Dies mag den "chronologischen Leser" gelegentlich sogar stören. Ansonsten bereitet das Schmökern sehr viel Vergnügen, zumal das Buch üppig und wunderschön bebildert ist. Nicht zuletzt lassen all die ganz verschiedenen Bilder Eindrücke aus völlig unterschiedlichen Blickwinkeln zu und wecken die Neugier auf den Text, der zwar wie erwähnt – man kennt Umberto Eco ja – ausführlich gehalten ist und hier und da auch ins Mäandrieren gerät, doch nie ins Langweilige und Fade abgleitet. Ecos Begeisterung für das Metier bleibt unübersehbar. Wer also unter den an Mythen und Legenden Interessierten den Mut hat, sich weit über vierhundert für ein Taschenbuch großformatige Seiten zu gönnen, kann zugreifen: zumal die Taschenbuchausgabe vom Preis her, gemessen an Gehalt und Umfang, nicht teuer kommt.