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 Die Girls von Riad

Autoren: Rajaa Alsanea
Übersetzer: Doris Kilias
Verlag: Pendo

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Saudi Arabien, das Land, aus dem das Öl kommt, in dem unvorstellbarer Reichtum zu herrschen scheint. Doch außer dem Öl kommt kaum jemals etwas in die westliche Welt, zu unterschiedlich sind die Wertevorstellungen. Auch wenn es seit 2005 durch König Abdullah zarte Reformen gibt: Noch immer sind die Frauen in Saudi Arabien als minderwertig angesehen, dürfen nicht wählen, nicht Auto fahren, nicht mit nicht-verwandten Männern sprechen, sind dem Willen ihrer Väter, Brüder, Onkel oder Ehemänner ausgeliefert.
Rajaa Alsanea schreibt in ihrem Buch "Die Girls von Riad" offen über das, über was sonst geschwiegen werden muss: den Lebenshunger und die Sehnsucht nach Liebe der jungen Frauen aus der Oberschicht Riads. Selbst dieser zugehörig als Tochter einer wohlhabenden Familie vermischt sie reale Begebenheiten mit fiktiven Personen, hebt die Schleier an, die die Gedanken verstecken sollen.

Es ist die Geschichte von Kamra, Lamis, Mischail - Michelle genannt - und Sadim. Alle sind sie der Autorin und ihren Freundinnen nachempfunden und vertreten doch so viele Mädchen mehr.
Kamra ist am Vorabend ihrer Hochzeit überglücklich, hat sie doch als erste das Ziel der Vermählung erreicht. Dabei ist es ihr egal, dass sie ihren Mann erst einmal gesehen hat, es wird schon alles gut werden. Doch als sie mit ihm nach Amerika auswandern muss, in ein Land, dessen Sprache sie kaum beherrscht und wo sie niemanden kennt, merkt sie, dass diese Ehe ein großes Drama zu werden droht.
Michelle verliebt sich heftig in Faisal, auch er liebt sie, die beiden treffen sich über ein Jahr lang heimlich und wollen sogar heiraten. Doch als er seine Mutter um Erlaubnis fragt, reagiert sie sehr abweisend: Michelle ist unter modernen Einflüssen wach geworden, allein ihr amerikanischer Name spricht doch Bände, das ist keine Frau für ihn. Er soll gefälligst ein Mädchen aus einer geachteten Familie Riads heiraten.
Lamis hingegen hat ihre eigenen Regeln: Nie wird sie sich in einen verlieben, der sie nicht liebt, nie wird sie sich auf eine Beziehung einlassen, wenn nicht nach drei Monaten von Hochzeit die Rede ist. Diese Regeln klingen hart, doch mit ihrer Technik der Zurückweisung schafft sie es wirklich, ihren Herzensmann dazu zu bringen, bei ihren Eltern um ihre Hand anzuhalten.
Sadim hingegen hat wohl die bewegteste Geschichte: Erst soll sie Wadim heiraten, die Ehepapiere sind sogar schon unterschrieben, nur die Zeremonie fehlt noch. Als sie seinem ständigen Drängen, mit ihm zu schlafen, vor der Zeremonie nachgibt, lässt er sich von ihr scheiden. Als achtbare Frau hätte sie ihm nicht "so schnell" nachgeben dürfen. Dadurch wird ihr in der Gesellschaft der Stempel der "geschiedenen Frau" aufgedrückt, die es schwer haben wird, einen Mann zu finden, der sie heiraten will. Gerade mal Anfang zwanzig ist sie, und schon wird ihr Leben als verwirkt bezeichnet. Als sie sich in einen Politiker Riads verliebt und die beiden eine unschuldige Liebesbeziehung beginnen, schöpft sie wieder neuen Mut.

Diese vier Mädchen treffen sich regelmäßig und unterhalten sich über ihr Leben, über ihre Liebe. Dabei fällt auf, dass sogar die Freundinnen unterschiedliche Ansichten von allem haben. Die eine ist konservativer, würde nie auf ihr Kopftuch verzichten und hört bedingungslos auf die Männer in ihrem Leben, die nächste sieht es gar nicht ein, sich zu verschleiern und rebelliert, wo sie nur kann, gegen die vorherrschenden Gesellschaftsregeln.

Viele Kleinigkeiten machen den Roman so detailreich. Immer neue Sachen erfährt der Leser über die Mädchen aus Riad. Zum Beispiel, dass Handys ein übliches Geschenk der jungen Männer an ihre Angebeteten sind, damit man auch fernab von Sittenwächtern in Kontakt treten kann, oder, dass junge Frauen sich als Männer verkleiden, um Auto zu fahren und ein bisschen Spaß zu haben. Auch auf den abendlichen Chat mit Unbekannten, in denen die Frauen so wenig wie möglich von sich preisgeben, wird eingegangen. Doch was den größten Aufschrei verursacht hat, ist wohl die vergleichsweise offene Erwähnung von Sex oder sogar Homosexualität, zweier riesiger Tabus in Saudi Arabien.

Rajaa Alsanea studiert Zahnmedizin, im Moment lebt sie in Chicago. Sie hat also keinerlei literarische Vorbildung, dennoch liest sich ihr Roman wunderschön und kraftvoll. Immer wieder eingebunden sind Gedichte oder Zitate von arabischen Dichtern oder Gelehrten, auch die Briefe, die vor allem Sadim schreibt, bestechen durch poetische Anmut. Dennoch wirkt dies nie aufgesetzt, sondern immer natürlich und leicht. Allein schon wegen der natürlichen und doch berührenden Sprache ist es ein Genuss, dieses Buch zu lesen.
Aber der Hauptgrund, das Buch zu kaufen, ist Neugier. Neugier auf eine andere Kultur, auf ein Land, das immer wie das unbekannte Märchenland aus 1001 Nacht wirkt, in dem doch so viel nicht zu stimmen scheint. Doch Alsanea macht klar: Sie liebt ihr Land, nur manche Sachen müssten reformiert werden, damit auch die Frauen glücklich werden können. Auch die Männer wären glücklicher, wenn sie nicht mehr in der bigotten Wertevorstellung gefangen wären, die sie seit Generationen und auch momentan haben. Vor allem diese Männer kommen in kaum einer Geschichte gut weg, denn immer sind sie es, die sich selbst oder anderen im Weg stehen und Ärger und Leid bringen. Dabei betont die Autorin aber, dass dieses reformierte Land nicht nach westlichen Vorstellungen entstehen soll, da der Islam doch wichtig ist und mit dem Leben verwurzelt bleiben soll. Doch so viele Traditionen, die noch aus uralten Tagen stammen, beherrschen heute immer noch das tägliche Leben, obwohl sie schon so lange überholt sind und nichts mit dem islamischen Glauben zu tun haben.
Natürlich ist dies ein Buch der Oberschicht, die Mädchen haben allesamt keine Geldprobleme, können sich leisten, was immer sie wollen, zumindest in finanzieller Hinsicht. Die saudi-arabische Unterschicht lebt wohl wieder ganz anders, auf dies wird aber gar nicht eingegangen. Doch das muss es auch nicht, schließlich ist es die authentische Geschichte des durchschnittlichen arabischen Mädchens, das zwar zumeist glücklich ist, aber um jedes bisschen Freiheit kämpfen muss.

Wenn man das Buch gelesen hat, ist einem klar, warum Rajaa Alsanea mittlerweile eine Berühmtheit in ihrem Land ist. Zunächst im Libanon veröffentlicht, wurde das Buch in Saudi-Arabien nur auf dem Schwarzmarkt zu exorbitanten Preisen gehandelt. Nach der Veröffentlichung in Saudi Arabien brach ein wahrer Sturm über die junge Autorin los: landesweite Kontroversen, E-Mail-Fluten - manche mit Heiratsanträgen, manche mit Morddrohungen. Auch die Gefahr, durch dieses Buch nie wieder so geachtet zu werden und keinen Mann zu finden, droht ihr. Allerdings: Rajaa Alsanea scheint keine Frau zu sein, die verheiratet werden muss oder will, um ihr Glück zu finden ?

Anja Thiemé



Hardcover | Erschienen: 1. Mai 2007 | ISBN: 9783866121096 | Originaltitel: Banat al-Riyad | Preis: 19,90 Euro | 331 Seiten | Sprache: Deutsch

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