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Das italienische Mädchen Sofonisba Anguissola ist die älteste von sechs Töchtern und eine begabte Malerin. Ihre Eltern ermöglichen ihr eine künstlerische Ausbildung, da sie keinen Sohn haben, den sie fördern könnten. Auf Sofonisba lastet somit viel Druck. Eigentlich würde sie nichts lieber tun, als durch die gefährlichen Gassen zu streifen oder gar über das Meer zu reisen, aber sie muss stets Würde bewahren, um der Familienehre gerecht zu werden. Zudem erhoffen sich Sofonisbas Eltern, dass sich das Talent ihrer Tochter irgendwann auszahlen und die adlige Familie von ihrer Armut befreien wird.
Das herzliche, warme Verhältnis Sofonisbas zu ihren Eltern ändert sich, als ihre Mutter doch noch einen Sohn zur Welt bringt. Die Töchter sind von nun an zweitrangig. So verweigert ihr Vater der zweitjüngsten Tochter eine Ehe mit dem Jungen, den sie über alles liebt, weil er keine Mitgift bezahlen will. Diese geht daraufhin in ein Kloster und auch Sofonisba, die deshalb lange Zeit einsam und traurig ist, ist froh, als sie ihrem Zuhause entkommen kann.
Zusammen mit ihrer Amme reist sie nach Spanien, wo sie als Hofdame von Isabel de Valois, der fünfzehnjährigen Gattin von König Philipp, leben soll. Sofonisba lehrt die junge Königin das Zeichnen, ihr Ruhm als Malerin wird stetig größer. Bald kommt noch eine zweite Schülerin hinzu: Lien, ein geheimnisvolles Mädchen, das Sofonisba glühend verehrt und von ihr lernen möchte, wie man Menschen so portraitiert, dass sie lebendig wirken.
Sofonisba, die am Hof für kurze Zeit glücklich und unbeschwert lebt, ahnt noch nicht, dass die spanische Inquisition des 16. Jahrhunderts kein Erbarmen kennt und dass Lien in großer Gefahr schwebt ...
Der Name Nina Blazon verspricht zumeist authentische, spannende historische Jugendbücher mit sympathischen Protagonistinnen. Die hohen Erwartungen, die man demnach an "Die Königsmalerin" stellt, hat sie zweifellos erfüllt, wenn nicht sogar übertroffen.
Der erste Teil des Buches wird aus der Ich-Perspektive von Sofonisba geschildert. Ganz erstaunlich ist es, wie Blazon ihre Heldin sofort lebendig werden lässt. Es dauert nur wenige Minuten, bis man an Sofonisbas Lippen hängt und das Gefühl hat, es wäre tatsächlich die Malerin selbst, die zum Leser spricht und ihn auf eine Reise durch Raum und Zeit mitnimmt. Denn nicht nur Sofonisba ist glaubhaft und lebendig geschildert. Auch das von Blazon gezeichnete Italien und Spanien des 16. Jahrhunderts überzeugt durch viele Details, gut recherchierte Hintergründe und eine atmosphärische Erzählweise, die den Leser ins bunte Treiben Cremonas entführt und ihn Schaudern lässt angesichts der allgegenwärtigen Bedrohung der Inquisition am spanischen Hof. So taucht man schnell in dieses herrliche Buch ein, vergisst alles um sich herum und kann das Lesen kaum unterbrechen. Dabei passiert vergleichsweise wenig - die Ränke und Intrigen halten sich ebenso in Grenzen wie die Liebesgeschichten, Abenteuer findet man überhaupt nicht. Trotzdem möchte man unbedingt am Leben Sofonisbas teilhaben, erfahren, ob sie mit ihrer Kunst Erfolg haben wird und welches Schicksal sie und Lien erwartet.
Mit dem zweiten Part des Buches gibt es einen Stilumbruch. Nun kann man die Geschehnisse auch aus einer anderen Perspektive lesen, nämlich aus der eines personalen Erzählers, der Liens Handlungen, Gefühle und Gedanken verfolgt. Dies ist für die Charakterisierung der Figuren sehr zuträglich, denn so lernt man sie aus verschiedenen Blickwinkeln kennen, entdeckt dabei neue Facetten und Eigenschaften.
Nina Blazons Sprache zeichnet sich durch eine schlichte Schönheit aus. Zu keinem Zeitpunkt wirkt sie gestelzt oder aufgesetzt, wie es bei historischen Romanen leider oft der Fall ist, sondern immer natürlich und passend. Gekonnt fabuliert die Autorin von Farben und Bildern, lässt diese auch vor dem geistigen Auge des Lesers entstehen. Auch die Mischung aus historisch belegten Fakten und Fiktion gelingt der Autorin perfekt.
"Die Königsmalerin" ist ein wunderschön geschriebenes, mitreißendes Buch, das die Themen Kunst, Liebe, Freundschaft und Inquisition behandelt. Nina Blazon vermag es, historische Welten und Figuren lebendig werden zu lassen, sodass man in ihren Büchern von der ersten bis zur letzten Seiten hoffnungslos versinken kann. Wer nach dieser Lektüre ein Gemälde von Sofonisba Anguissola betrachtet, wird das Gefühl haben, die Künstlerin persönlich gekannt zu haben.