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Im Nachlass ihres verstorbenen Vaters finden der Psychoanalytiker Erik Davidsen und seine verwitwete Schwester Inga den Brief einer fremden Frau. In diesem Brief schreibt sie von einem Geheimnis, das beide verbindet. Erik und Inga wollen das Geheimnis lüften und machen sich auf die Suche nach der Unbekannten. Doch nicht nur der Vater gibt den beiden Rätsel auf. Eine Journalistin ist auf der Suche nach kompromittierenden Informationen über Ingas toten Mann, einen berühmten Schriftsteller. Diese findet sie in Form von Liebesbriefen an eine Geliebte. Ingas Tochter Sonia ist noch immer von ihren Erlebnissen des 11. September 2001 traumatisiert und Erik verliebt sich in Miranda, seine neue Mieterin. Miranda aber verhält sich im Gegensatz zu ihrer Tochter sehr distanziert, bis Erik vor der Haustür Fotos von Miranda und ihrer Tochter mit ausradierten Augen entdeckt.
Nach ihrem erfolgreichen Roman "Was ich liebte" legt Siri Hustvedt mit "Die Leiden eines Amerikaners" erneut eine minutiöse Familiengeschichte vor, in die sie Tagebuchaufzeichnungen ihres 2003 verstorbenen Vaters einbaut. Im Mittelpunkt dieses Romans steht der Ich-Erzähler Erik, der sich, geschieden und einsam, in seine neue Mieterin Miranda verliebt, die diese Liebe jedoch nicht erwidert. Zudem muss sich Erik mit dem Tod seines Vaters und einem Geheimnis, das ihn umgibt, auseinandersetzen. Um das Geheimnis zu lösen, liest Erik unter anderem die Tagebücher seines Vaters, von denen Auszüge im Roman wiedergegeben sind (und die auf den Aufzeichnungen von Siri Hustvedts Vater basieren). Der Leser lernt Erik nicht nur auf der Suche nach seines Vaters Geheimnis kennen, sondern erlebt ihn in seiner Sehnsucht nach Miranda, in seinem Umgang mit Patienten und in Gesprächen mit seiner Schwester Inga. All dies schärft zwar das Bild des Psychoanalytikers, wirkt aber angesichts der vielen Nebenschauplätze und -geschichten auf Dauer ermüdend. In die Dialoge sind immer wieder Informationen aus den Neurowissenschaften, der Psychologie und Philosophie eingestreut. Das lässt nicht nur die Dialoge unauthentisch, sondern zudem das ganze Buch nervend pseudointellektuell wirken. Die Introspektion Eriks, seine ständige Selbstreflektion und Selbstanalyse sind so ausgeprägt, dass man in ihm nur ein bis zur Perfektion ausgearbeitetes Klischee eines Psychoanalytikers sehen kann. Angesichts der Ernsthaftigkeit, mit der die Autorin dabei zu Werke geht, kann man nicht einmal darüber lachen. Ein Augenzwinkern hätte dem Roman und besonders dem Leser manches Mal gut getan und sicher einigen Ermüdungserscheinungen vorgebeugt. Überhaupt ist es auch dieser auf leisen Pfoten daherkommenden Egozentrik und der absolut humorlosen Selbstbezogenheit zuzuschreiben, dass man als Leser mit den Figuren des Romans nicht mitschwingen kann, kein Mitgefühl und keine Empathie entwickelt. Dabei sind einige Passagen durchaus gelungen und hätten vielleicht bei einer Reduktion des Romans besser zur Geltung kommen und vielleicht sogar ausgebaut werden können.
Wer pseudointellektuelles Gehabe und schwülstige Selbstbezogenheit nicht mag, sollte die Finger von diesem Roman lassen.