Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Humor | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Ton | |
Der britische Autor Francis Durbridge ist vor allem durch seine Figur des Detektivs Paul Temple berühmt geworden. Durbridge hat aber auch eine Reihe weiterer Kriminalgeschichten verfasst, die für den Hörfunk vertont wurden. Nachdem der Audioverlag bereits eine ganze Reihe von Paul-Temple-Fällen veröffentlicht hat, hat sich der Verlag nun einer Ausgabe von Fällen ohne den berühmten Detektiv gewidmet, den "Non-Paul-Temples". Sie umfasst vier Hörspiele auf fünf CDs:
Der Fall GreenfieldZwei Freunde diskutieren bei einem Treffen den "Fall Greenfield", der vor einiger Zeit für Schlagzeilen sorgte. Dabei wurde ein Schriftsteller namens Felix Layton verdächtigt, seinen reichen Onkel Greenfield ermordet und die Leiche in einem Teich versenkt zu haben, um an Greenfields beträchtliches Vermögen zu gelangen. Layton hatte jedoch ein Alibi für die Tatzeit und scheint außerdem nicht ganz im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte zu sein: Er hat der Polizei schon mehrere Morde gestanden, doch keinen einzigen davon begangen. Seine "Mordopfer" waren vielmehr Figuren aus seinen eigenen Romanen. Ist Layton verrückt? Doch dann nimmt der Fall eine überraschende Wendung ?
"Der Fall Greenfield" ist ein netter kleiner Kriminalfall, spannend erzählt und gespielt. Die Auflösung dürfte allerdings jedem, der sich ein bisschen mit Krimis auskennt, ziemlich schnell klar sein. Dennoch eine unterhaltsame Geschichte!
Nur über meine LeicheDie beiden Schauspieler John und Sheila Nelson spielen seit Jahren auf der Bühne dieselben abgenudelten Rollen - den Kriminalinspektor mit der langen Leitung, die reizende kleine Ehefrau, den geheimnisvollen Professor ? nun haben sie die Nase gründlich voll und fahren erstmal in den Urlaub. Dabei geraten sie in eine Situation, wie sie klassischer nicht sein könnte: Die beiden verirren sich im dichten Nebel und gelangen zu einem unverschlossenen Haus, in dem sie auch prompt eine Leiche vorfinden ?
Hier handelt es sich ausnahmsweise nicht um einen klassischen Kriminalfall, sondern eher um eine Kriminalkomödie, die mit einer Menge Seitehiebe gespickt ist. Das Hörspiel spielt mit den Klischees, mit denen sich Krimiautoren und Krimileser, Schauspieler und Zuschauer auseinander setzen müssen. Durbridge einmal von einer anderen Seite - amüsant und treffend!
La BoutiqueLewis Bristol wendet sich Hilfe suchend an seinen Bruder Robert, der Kriminalinspektor bei Scotland Yard ist. Bei einer Party in San Francisco hatte Lewis, der ein äußerst erfolgreicher Komponist ist, eine junge Dame namens Virginia kennen gelernt. Schon nach kurzer Zeit machte er der bezaubernden Frau einen Heiratsantrag - doch sie verschwand kurz darauf spurlos. Nun verlangt Lewis von seinem Bruder, dass der nach Amerika reist und Virginia sucht. Robert Bristol lehnt ab, das Verhältnis zum Bruder ist nicht das beste und er hat ohnehin keine Lust, sich der Sache anzunehmen. Stattdessen reist Robert nach Venedig.
Doch bald darauf erhält er die Nachricht, dass Lewis ermordet wurde: Er wurde mit einem Messer im Rücken aufgefunden in einem Modegeschäft namens La Boutique, das seiner Exfrau Eve gehört. Bald schon wird der Fall immer verwickelter. Alle Spuren führen zu La Boutique - hat Eve ihren Exmann ermordet? Wer sonst könnte ein Interesse an seinem Ableben gehabt haben?
"La Boutique" ist ein typischer Durbridge-Fall voller schillernder Charaktere mit undurchschaubaren Absichten. Die Auflösung erscheint aus heutiger Sicht eher wenig spektakulär, dennoch handelt es sich um einen guten, klassisch-britischen Kriminalfall der altmodischen Sorte, den man sich gerne anhört. Mit zwei CDs ist dies der längste Fall der Box.
Tief in der NachtAls der britische Hotelier Carl Houston von einer Sydney-Reise nach London zurückfliegt, wird die Maschine von Luftpiraten entführt; Houston entkommt nur knapp mit dem Leben. Doch auch Zuhause legt sich die Aufregung für ihn nicht. Zunächst wird er von einem sehr unfreundlichen Inspektor von Scotland Yard verhört, der ihn allem Anschein nach verdächtigt, irgendwie in die Flugzeugentführung verwickelt zu sein, und dann versucht jemand, ihn umzubringen. Merkwürdigerweise scheint all dies mit einem Koala-Bären zu tun zu haben ?
Auch wenn dieses Stück von Francis Durbridge neueren Datums ist - das Hörspiel wurde erst im Jahr 2000 produziert - wirkt es, als könnte es geradewegs aus den 1960er Jahren stammen. Der bekannte Stil des Kriminalautors schlägt auch hier voll durch. Eine spannende Geschichte, die 54 Minuten lang zu fesseln weiß.
"Die Non-Paul-Temples" transportieren das Flair der aus heutiger Sicht altmodischen Kriminalgeschichten, die für die 60er-Jahre so typisch sind. Eine Ausnahme bildet "Tief in der Nacht"; dieses Hörspiel entstand nach einem Theaterstück von 1991 und wurde erst im Jahr 2001 erstmalig im Radio gesendet.
Die Hörproduktionen sind wunderbar charmant - zwar ist vieles nicht mehr zeitgemäß, zum Beispiel die Geräusche, etwa Pistolenschüsse oder zusammenstoßende Autos, wirken schlicht und einfach lachhaft -, aber genau dadurch sind sie so reizvoll. Die Fälle an sich sind spannend und schlüssig, und auch wenn es Durbridge-typisch viele Leichen gibt, sind die Fälle nie ausufernd brutal, nach heutigen Maßstäben geradezu harmlos.
Die Sprecherleistungen sind allesamt gut bis sehr gut, was merkwürdig klingen mag bei so vielen Sprechern, doch fällt wirklich keiner aus der Rolle - was daran liegen mag, dass die Sprecher noch der "alten Schule" angehören und größtenteils eine Menge Theatererfahrung mitbringen. Sie spielen ihre Rollen wirklich überzeugend. Auch sehr schön die auf Swinging Sixties getrimmte bunte Pappbox, in der die fünf CDs untergebracht sind - wirklich eine schöne, moderne Aufmachung, so eignet sich die Box auch gut als Geschenk!
Wer als Krimifan mal eine Auszeit von Paul Temple braucht - so humorvoll der berühmte Detektiv auch sein mag -, der liegt mit den Non-Paul-Temples goldrichtig!