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 Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Autoren: Haruki Murakami
Regisseure: Margrit Osterwold
Sprecher: Wanja Mues
Übersetzer: Ursula Gräfe
Verlag: Hörbuch Hamburg

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton
Tsukuru Tazaki erinnert sich gern an die letzten Jahre seiner Schulzeit, denn in dieser Zeit war er glücklich - genau genommen war er nur in diesem Lebensabschnitt glücklich: mit seinen vier Freunden Aka, Ao, Shiro und Kuro. Die fünf bilden eine feste Clique, die sich auf die Vorzüge jedes Einzelnen stützt und sich unter anderem auch gemeinnützig engagiert.
Nach dem Abitur verlässt Tsukuru als Einziger der fünf die Heimatstadt Nagoya und studiert in Tokio, um seinen langjährigen Berufstraum, das Bauen von Bahnhöfen, verwirklichen zu können. Seine Freunde bleiben in Nagoya, er besucht sie in den Ferien, bis sie ihm eines Tages ohne Angabe von Gründen die Freundschaft aufkündigen und sich nachdrücklich jeden Kontakt verbitten.
Tsukuru versteht die Welt nicht mehr. Haben sie ihn verstoßen, weil er fortgezogen ist? Oder liegt es daran, dass die Namen der vier anderen Bezeichnungen für Farben beinhalten und nur der seine nicht? Ist er denn so farblos wie sein Name? Denn Tsukuru empfindet sich selbst als fade und weiß, dass seine Leidenschaft für Bahnhöfe als eigenartig angesehen werden kann.
Viele Monate lang steht Tsukuru am Rande des Selbstmordes, dann nimmt er sein farbloses Leben wieder auf, studiert zu Ende, erhält in Tokio eine angemessene Anstellung, baut Bahnhöfe und wird immer noch farbloser. Die Freundschaft zu einem Kommilitonen - ebenfalls mit farbigem Namen - lässt ihn kurz aufblühen, doch auch dieser stiehlt sich schlagartig und kommentarlos davon.
Dann tritt Sara in sein Leben, und sie ist der erste Mensch, dem Tsukuru von seiner Geschichte erzählen kann. Sara möchte ihm helfen und bringt ihn dazu, seine früheren Freunde aufzusuchen und mit ihnen zu sprechen. Er erfährt Ungeheuerliches. Und schließlich begreift er, wohin er gehört.

Jeder der vier Freunde hatte neben seiner Farbe auch eine herausragende Fähigkeit, nur Tsukuru mit seiner farblosen Passion für Bahnhöfe sieht sich als Langweiler und fragt sich, was die anderen vier Jahre lang an ihm gefunden haben mögen, die Freunde, die ihm eine unheilbare Verletzung zugefügt haben. Tsukurus Reise zu sich selbst gleicht Liszts "Années de pèlerinage", "Pilgerjahren", die Shiro mit ihrer Musikbegabung so gern spielte, insbesondere das Stück "Le Mal du pays", "Heimweh".
Dieses Stück zieht sich wie ein musikalisches Thema durch den ganzen Roman, begleitet von dem düsteren Phänomen des sechsten Fingers, einer physischen Anomalie, die immer wieder unerwartet auftaucht. Und die dunkle Stimmung zieht sich durch den ganzen Roman, der im Übrigen alles andere als schwerfällig, sondern in einem gut verständlichen Stil geschrieben ist. Allenfalls einige eher unnötige Wiederholungen stören etwas.
Surreale Elemente, die man von Murakami kennt, treten in diesem Roman nur am Rande auf, doch finden häufig Übergänge zwischen der realen Welt und den Träumen statt, und einige zentrale Wendungen der Geschichte können im Grunde nur mit Übernatürlichem erklärt werden. Der Autor weiß Traumszenen sehr intensiv darzustellen und vermag den Leser beziehungsweise Hörer mitzureißen.
Wer befürchtet, den Roman aufgrund der kulturellen Unterschiede nicht zu verstehen, sei unbesorgt. Tsukurus Auseinandersetzung mit seinem Leben ist zutiefst menschlich - natürlich finden sich einige japanische Eigenheiten, die sich jedoch bestens nachvollziehen lassen. Es zählt das Einfühlen in den scheinbar farblosen Charakter des Tsukuru Tazaki, eines "Mannes ohne Eigenschaften" - man findet die eine oder andere Anspielung auf europäische Literatur, wenn man genau hinschaut -, das Interesse an einer vielschichtigen, gut erzählten Geschichte, der Wunsch, das Menschliche an sich zu erfassen.

Wanja Mues liest hervorragend, er nimmt die schwere Stimmung auf, die über der gesamten Handlung liegt, passt sich an die Spannungsbögen an, gestaltet Dialoge lebendig. Allenfalls die Frauen wirken in den Dialogen etwas manieriert.
Die sieben CDs des Hörbuchs befinden sich, jede mit eigener Papierhülle, nebst einem kurzen, doch informativen Booklet in einer sehr ansprechend gestalteten Kartonschachtel.

Ein starker Roman, eine gelungene Hörbuchedition!

Eine Hörprobe wird auf der Verlagsseite zum Buch angeboten.

Regina Károlyi



CD | CD-Anzahl: 7 | Erschienen: 4. Januar 2014 | ISBN: 9783899038958 | Laufzeit: 537 Minuten | Originaltitel: Shikisai wo motanai Tazaki Tsukuru to, kare no junrei no toshi | Preis: 22,99 Euro | Sprache: Deutsch

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