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Das Ehepaar Megan und Duncan Richards hat es geschafft. Sie sind beruflich erfolgreich, haben ein tolles Haus und Erspartes auf dem Konto, außerdem zwei wunderschöne Töchter und einen Sohn - der einen winzigen Makel in ihrem Bilderbuchleben darstellt: Tommy ist manchmal psychisch auffällig, hat einerseits Tobsuchtsanfälle und fällt dann plötzlich in tranceartige Phasen. Aber es geht bergauf, und sogar in der Schule zeigt Tommy immer bessere Leistungen.
Dann bricht auf einmal die Vergangenheit in das Leben des Paars ein, denn die Richards haben bei allem Anschein von Erfolg und Bürgertum eine nicht unerhebliche Leiche im Keller: Als naive Weltverbesserer hatten sie sich 1968 einer Gruppe radikaler Systemkritiker angeschlossen. Ein Terrorakt, bei dem eine Bank überfallen werden sollte, ging damals furchtbar schief und eine Menge Menschen starben. Megan und Duncan kamen unbehelligt davon, aber die Anführerin der Bande, Olivia Barrow, wurde zu einer Haftstrafe von 18 Jahren verurteilt. Nun ist Olivia wieder auf freiem Fuß und brutaler und rachsüchtiger denn je. Sie will, dass die Richards dafür bezahlen, dass sie sie damals im Stich ließen und ihr Leben zerstörten. Dabei ist ihr jedes Mittel recht …
John Katzenbachs Thriller sind durchaus lesenswert, aber es stellt sich leider zunehmend heraus, dass sie alle nach Schema F funktionieren: Das Böse bricht in die Welt von ganz normalen Menschen ein, die mehr oder weniger schuld- und hilflos sind - so etwa auch in „Der Patient“ und „Das Opfer“. Dann auf einmal besinnen sich die armen Opfer ihrer eigenen Wut und setzen sich zur Wehr, greifen oftmals zur Selbstjustiz. Genau so ist es auch in diesem Thriller, und der ist, obwohl er solide aufgebaut ist und eine spannende Ausgangslage hat, eher zum Gähnen – das kann auch die ausgezeichnete Lesung von Simon Jäger nicht mehr ausgleichen.
Zunächst mal ist es total ärgerlich und stereotyp, wie Megan und Duncan beschrieben werden. Katzenbach schiebt als Rückblende eine ziemlich weinerliche Vergangenheits-Story ein, in der dem Hörer mit dem Holzhammer klargemacht wird, dass alle anderen Mitglieder der Terrorgruppe böse und skrupellos sind, dass aber Megan und Duncan gar nicht böse und total schuldlos da hineingeraten sind. Während also Megan und Duncan vor Angst und Schuldgefühlen vor dem großen Bankraub fast durchdrehen, posieren die anderen voller Vorfreude mit ihren MPs vor dem Spiegel oder haben Lesben-Sex – also wirklich. Passenderweise ist Megan auch noch zum damaligen Zeitpunkt schwanger und schon dadurch von aller moralischen Schuld reingewaschen.
Noch ärgerlicher ist aber, wie schleppend die Handlung vorangeht und wie viele prinzipiell gute Ideen Katzenbach verspielt. Wenn Megan und Duncan nicht die Polizei einschalten, weil ihr kleiner Sohn und der Großvater von der rachsüchtigen Olivia entführt wurden und diese damit droht, die beiden zu ermorden, dann ist das noch nachvollziehbar. Wenn aber die Rechtfertigung gegenüber den beiden Töchtern mehr so aussieht: „Wir können nicht die Polizei rufen, weil wir doch vor 18 Jahren in diese Sache verstrickt waren und da kriegen wir bestimmt ganz viel Ärger“, dann nervt das und wirkt richtig blöd.
Generell ist die gesamte Familie Richards mit ihrem Banker-Vater, dem Richter-Opa, den toll aussehenden Zwillingen und dem behinderten Sohn einfach so stereotyp, dass sie einem richtig auf den Geist geht und man zwar nicht mit der psychopathischen Olivia sympathisiert, sie aber weitaus interessanter findet als das spießige Vorstadtidyll der Muster-Familie mit dunkler 68er-Vergangenheit. Dass aus den ehemaligen Weltverbesserern bierernste Banker und Verfechter des Systems werden, könnte ja noch ein bisschen augenzwinkernd verstanden werden, aber der Roman ist auch noch total humorlos und nimmt sich zu jeder Sekunde superernst. Zweifelhaft ist diesmal auch die Selbstjustiz, in die sogar die beiden minderjährigen Töchter ohne Probleme mit hineingezogen werden.
Wie oben schon erwähnt, kann dann auch die sehr angenehme Stimme von Simon Jäger – am bekanntesten als Synchronsprecher von Heath Ledger, Matt Damon und Josh Hartnett - diese enttäuschende Story nicht zu einem guten Hörbuch machen.