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 Die Rache der Camorra


Cover
Gesamt ++++-
Action
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Brutalität
Extras
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


Außer von der Mafia wird Italien seit langer Zeit noch von einer zweiten, nicht minder gefährlichen kriminellen Vereinigung heimgesucht: der Camorra, die in der kampanischen Hauptstadt Neapel beheimatet ist. Filme über diese Art der "ehrenwerten Gesellschaft" sind seltener, aber trotzdem mehr als eine Randerscheinung des italienischen Kinos. Ein bislang eher unbekanntes Werk, das die Machtstrukturen der Camorra in Neapel aufzeigen will, ist Pasquale Squitieris "Die Rache der Camorra" aus dem Jahr 1974, das nun von Koch Media in einer restaurierten Version neu aufgelegt wurde.

Italien im Jahr 1891: Der ehemalige Straßenjunge Nicola Bellizzi (Franco Nero) träumt davon, seiner kriminellen Vergangenheit den Rücken zu kehren und Anwalt zu werden. Als er jedoch in seine Heimatstadt Neapel zurückkehrt, um sein Jurastudium zu beenden, merkt der junge Mann schnell, dass er ohne den Einfluss und den guten Willen der Camorra nicht weit kommen wird. Er freundet sich mit Don Gaetano (Fabio Testi) an, der das Viertel, in dem Nicola lebt, mit eiserner Hand regiert. Als die Geliebte des Don, die wunderschöne Lucia Esposito (Claudia Cardinale), von einem korrupten Polizeibeamten vergewaltigt wird, kommt es zur Katastrophe: Wahnsinnig vor Zorn und verletzter Ehre versucht Don Gaetano den Polizisten zur Strecke zu bringen - und Nicola findet sich in einem moralischen Dilemma zwischen der Justiz, der er dient, und seinem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn wieder …

Pasquale Squitieris zweiter Camorra-Film nach "Omertà - Reden heißt Sterben" wartet mit prominenter, ausgesprochen gutaussehender Besetzung auf: Mit Weltstar Claudia Cardinale, Italowestern-Spezi Franco Nero und dem zumindest in Italien berühmten Fabio Testi in den Hauptrollen versucht der Film, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu beleuchten, in denen das organisierte Verbrechen Neapels seine Kreise zog - und bis heute zieht. Dieses Unterfangen geht Squitieri nicht als bitter-realistische Milieustudie an; der Film wirkt eher wie ein verspäteter Ableger des pompösen Kinos der 1950er und 1960er Jahre. "Die Rache der Camorra" ist ein Sittenbild in sattem Technicolor, mit berauschenden Kostümen, viel Lokalkolorit und einer gehörigen Portion Melodramatik, die die Handlung bis zum Finale immer weiter zuspitzt. Die Charaktere sind dementsprechend merklich eindimensional, was dem Gesamteindruck des Films jedoch kaum abträglich ist. Immerhin gelingt Squitieri durch viele kleine Szenen, die sich am Rande des Hauptgeschehens abspielen, eine präzise Schilderung der Armut und der Not vieler Menschen im Neapel des 19. Jahrhunderts, die das einfache Volk in Scharen in die Arme der kriminellen Camorra trieb. Ganz in diesem kritischen Sinne ist auch der Weg von Nicola Bellizzi, gespielt von Franco Nero, eine zwiespältige Gratwanderung zwischen Verständnis für und Kampf gegen die Camorra. Dass diese Gewissensfrage gelegentlich allzu theatralisch in flammenden Plädoyers im Gerichtssaal ausgetragen wird, verzeiht der Zuschauer dem Film mit einem verständnisvollen Schmunzeln, das man für eine Sozialstudie aus dem Jahr 1974 schon aufbringen muss. Die Schlusssequenz schlägt dann einen Bogen zur Gegenwart und reißt mit der mutigen Aussage, die das Ende impliziert, den Film schließlich vollends aus dem durchschnittlichen Mittelfeld, in dem "Die Rache der Camorra" zeitweise dahinplätschert.

Die DVD von Koch Media ist in zweierlei Hinsicht ein Augenschmaus: Zunächst erfreut der hochwertige Schuber das Sammlerherz, bevor der Filmliebhaber sich anschließend kaum an der extrem guten Bildqualität dieser restaurierten Fassung sattsehen kann. Hier hat sich Koch Media in Sachen Bildschärfe und Farbbrillanz angesichts des 35 Jahre alten Bildmaterials wirklich selbst übertroffen. Der Ton ist auch verhältnismäßig gut, wobei erwähnt werden sollte, dass diese ungekürzte Fassung zum Teil nur im italienischen Originalton (mit deutschen Untertiteln) vorliegt. Weiterhin überzeugen ein neues retrospektives Interview mit Claudia Cardinale und weitere Extras (Bildergalerie und Originaltrailer), sowie ein schön aufgemachtes Booklet. Der Artikel von Filmkritiker und Autor Christian Keßler in besagtem Booklet ist zwar informativ, jedoch nicht wirklich gut recherchiert: Keßlers Aussage, die Cardinale sei zum Zeitpunkt des Filmdrehs bereits mit Regisseur Squitieri liiert gewesen und deshalb gecastet worden, ist schlichtweg falsch, wie nicht nur das Interview mit der Schauspielerin, sondern auch zahlreiche andere Quellen belegen.

Fazit: Opulent ausgestattetes und optisch überzeugendes Drama, das seine kleinen Fehler mit viel Pomp und Dramatik kaschiert.

Marc Zeller



DVD | Disc-Anzahl: 1 | Erschienen: 01. September 2008 | FSK: 16 | Laufzeit: 126 Minuten | Originaltitel: I Guappi | Preis: 14,95 Euro | Untertitel verfügbar in: Deutsch | Verfügbare Sprachen: Deutsch-Italienisch

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