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Bobby Nusku wächst bei seinem alleinerziehenden Vater auf. Bobby ist zwölf und seine Mutter hat die Familie schon vor Jahren verlassen. Er hofft inständig, dass sie zurück kommt und sammelt überall Beweisstücke, die den schlechten Umgang seines Vaters beweisen und ihr zeigen sollen, was alles in ihrem gemeinsamen Haus passiert ist. So sammelt er abgeschnittene Haare, Hautfetzen und vieles mehr und archiviert diese. Auch von seiner Mutter hat er "Erinnerungsstücke", die er wie in einem Schrein aufbewahrt. Bobby führt ein einsames Leben in einem Haus mit einem Vater, der ihn nicht liebt, der trinkt und der ihn schlägt. Bobby ist auf der Suche.
Mit Sunny findet er einen Freund, der ihn gegen die Schlägertypen in der Schule beschützen will. Damit dies noch besser klappt und Sunny für Bobby ein effektiver Bodyguard sein kann, beginnen sie mit ihrem Projekt, aus Sunny einen Cyborg zu machen. Mit einer absichtlich gebrochenen Gliedmaße fängt alles an ...
Als Sunny aus Bobbys Einzugsbereich verschwindet, findet er neuen Anschluss und wird selbst zum "Bodyguard". Er schließt Freundschaft mit der Val Reed, die als Reinigungskraft den Bücherbus wöchentlich wieder vorzeigbar macht. Und mit ihrer Tochter Rosa, die besonders ist.
Als die Situation sich zuspitzt, sieht Val nur noch einen Weg. Sie macht sich mit den Kindern auf den Weg und fährt einfach mit ihnen in dem riesigen Bibliotheks-Truck davon ...
"Wie dem auch sei - die Bibliothek hätte doch sowieso nur Staub angesetzt. Bücher sind so gut wie wertlos, wenn man sie nicht aufschlägt. Geschichten sind keine Geschichten, wenn man sie nicht erzählt. Und die Gestalten in den Geschichten, die können gut oder schlecht sein, aber wenn man sie nicht kennenlernt, sind sie weder das eine noch das andere, und das ist noch viel schlimmer."
Mit Büchern ist es oft gar nicht so schwer. Entweder man liebt sie oder man hasst sie. Entweder sie können einen beim Lesen in den Bann ziehen und begeistern oder sie langweilen den Leser so sehr, dass sie das Lesen womöglich sogar mittendrin abbrechen. Mit "Die Reise mit der gestohlenen Bibliothek" kann der Leser jeden dieser Gefühlsstatus durchmachen. Und vielleicht schafft er es ja auch bis zum Ende durchzuhalten.
Zunächst beginnt der Roman ganz zauberhaft, die Sprache ist schön, die Figuren klar und gut gezeichnet. Voller Authentizität und mit ganz eigenen, besonderen Charakteren. Bobby Nusku, der sich nach seiner Mutter sehnt und bei diesem trinkenden und prügelnden Vater lebt, ist in seiner kleinen Welt nicht unglücklich. Er hat sich eine Aufgabe gesucht und in seinen Handlungen ist er trotz seiner zwölf Jahre noch wunderbar naiv und doch so tiefgründig gleichzeitig. Seine Freundschaft mit Sunny, der für ihn zum Cyborg werden will, wirkt eindringlich und echt.
Und auch die weiteren Entwicklungen, die Begegnungen mit der kleinen Familie Reed, die aus der Putzfrau Val und ihrer geistig behinderten Tochter Rosa besteht, haben eine hinreißende Zartheit und auch poetische Momente.
Irgendwann aber beginnt dieser anfängliche Zauber zu verblassen. Die Story wirkt besonders im letzten Drittel plötzlich konstruiert und immer weniger leichtfüßig. Der Spaß beim Lesen nimmt ab – leider, hatte das Ganze doch so gut angefangen.
Da der Klappentext zudem den interessierten Leser auf eine andere Fährte führt, als die Geschichte schließlich verfolgt. Und diese viel weniger eine Story für Bibliophile ist, denn ein Roadmovie und eine Geschichte über den Zusammenhalt von Freunden und Familien, ist es umso schwerer, am Buch dranzubleiben. Die meisten werden es aber schaffen, da Bobby, Sunny, Val, Rosa, Joe Joe, Bert und Captain doch immer wieder ein bisschen vom anfänglichen "Glitzern" durchscheinen lassen. Und diese Stellen im Buch können dann doch so begeistern, dass man die kleine "Familie" nicht alleine lassen möchte.
Fürs Erste kann auf der Webseite des Verlags in das Buch reingeschnuppert werden: zur Leseprobe.