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 Die Tochter der Schlange

Autoren: Evelyne Okonnek
Illustratoren: Keith Scaife
Verlag: Ueberreuter

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Die zwölfjährige Liahnee fühlt sich nutzlos und versagt bei dem kleinsten Zauber. Immer, wenn sie in der Vergangenheit Magie wirken musste, stand ihr Bruder Minohem hinter ihr und wirkte heimlich den geforderten Zauber. Doch heute muss sie gegen die weiße Schlange bestehen. Schweißnass und vor Angst starr und dem Zusammenbruch nahe, steht sie vor dem riesigen Tier. Doch sie besteht die Prüfung und wird zur Hüterin über ihr Volk. Sie ist überglücklich, dass Minohem ihr beisteht, verzweifelt aber, als ihr der geliebte Bruder ankündigt, in den schwarzen Turm zu ziehen und dort seinen Studien nachzugehen.
Sie kann ihren Bruder nicht verstehen. Dort starben kurz zuvor ihre Eltern und nichts als alte Bücher lagern dort.

Einige Jahre vergehen und immer, wenn sie Hilfe braucht, erscheint Minohem und steht ihr mit seiner Magie bei. Doch Menschen der Lehanar verschwinden und eines Morgens überfallen Drachen die Stadt. Seit Jahrtausenden gibt es diese Wesen nicht mehr im friedlichen Lehanar und das Volk wendet sich entsetzt an ihre Hüterin. Doch nur Minohem kann ihr helfen. Der gerufene Bruder vertreibt die Drachen und hilft ihr wenig später auch, eine Horde Wölfe, die die Stadt überfällt, zu vernichten. Als der Prinz der befreundeten Ainur sie besucht und unverhohlen um Liahnee wirbt, lädt Minohem den jungen Mann zu sich in den Turm ein. Wenig später sucht auch Liahnee ihren Bruder dort auf, um den verschwundenen Prinzen zu suchen. Zu ihrem Entsetzen sieht sie mit an, wie ihr geliebter Bruder eine Gruppe Lehanar in grässliche schwarze Schlangen verwandelt und sie zur Stadt schickt. Offensichtlich ist ihr Bruder der Teufel, der hinter allem steckt. Liahnee kann es nicht glauben, findet aber im Turmzimmer einen Raben, der ihr zu verstehen gibt, dass er der Prinz der Ainur ist. Doch Minohem tritt ihr entgegen, bevor sie fliehen kann. Seine schwarze Magie, die er im Turm studiert, ist mächtig, und er will Liahnee, seine kleine, dumme Schwester, die ihm Zeit seines Lebens im Weg gewesen ist, vernichten. Der Kampf ist kurz, doch Liahnee ist ihrem Bruder Minohem nicht gewachsen und versucht zu fliehen. Vor einem gewaltigen magischen Tor, durch das Minohem die Drachen, Wölfe und bald auch die schwarzen Schlangen - die Ausgeburten seiner schwarzen Magie -, nachdem sie ihm zu Diensten waren, aus der Welt verbannte, kommt es zu einem letzten Kampf. Liahnee wird durch das Tor in die Dunkelheit jenseits der ihrer Welt geschleudert, und Minohem reitet in die Stadt, um zum Hüter über die Lehanar zu werden. Seine Schwester glaubt er auf immer in die Dunkelheit verbannt.

Das Erstlingswerk von Evelyne Okonnek, ausgezeichnet mit dem "Wolfgang-Hohlbein-Preis für fantastische Literatur 2006", ist ein spannendes und mitreißendes Abenteuer. Die junge Heldin wider Willen ist einfühlsam und facettenreich charakterisiert. Schnell schließt der Leser sie in sein Herz und zittert mit ihr. Durch einen Kunstgriff der Autorin weiß der Leser mehr als die junge Frau und muss hilflos die wachsende Bedrohung durch deren Bruder Minohem erdulden. Der erste Teil des Romans endet mit einem Paukenschlag, und das Abenteuer für die junge Heldin Liahnee scheint vorbei, ehe es richtig begonnen hat. Der schwarze Magier triumphiert und erweist sich als ungleich mächtiger. Entsetzt muss der Leser begreifen, dass alles verloren ist. Und nun beginnt der zweite Teil der Geschichte. Als begänne ein neues Buch, muss sich der Leser und seine ihm anvertraute Heldin Liahnee in einer dunklen Welt, im Irgendwo, fernab ihres bisherigen Schicksals und ohne Hoffnung, orientieren.
Die Spannung steigt bis ins Unerträgliche, und hin und hergerissen von den Hindernissen, denen sich Liahnee und damit auch der Leser gegenübersieht, folgt man fasziniert der Fantasie der Autorin. Sie erweist sich als blendend aufgelegt. In ihrem Erstling marschiert sie traumwandlerisch sicher durch die von ihr geschaffene Welt, begeht nicht den Fehler, eine einfache Rachegeschichte an die Niederlage anzuhängen, sondern baut mit Geduld und unter Zerrüttung der Nerven der Leser eine neue Welt auf, die sie nur allmählich überführt in bekannte und hoffnungsvollere Umstände.
Grandios gelingt ihr der Balanceakt, eine nur scheinbar hilflose junge Frau als machtvoll und gut, als schön und doch naiv und harmlos darzustellen. Bewundernswert meistert sie die zweite Geschichte, und es gelingt ihr im dritten, wieder völlig anderen und absolut brillanten dritten Teil des Buches, alle Fäden zu einem Ganzen zu vereinen. Atemlos folgt der Leser ihr auf den letzten Seiten und voller Entsetzen und Erleichterung, gepaart mit Bewunderung und Genugtuung, beendet man dieses Buch - wahrscheinlich nur sehr kurz nach dem Beginn des Leseabenteuers. Mir zumindest ist es kaum gelungen, dieses Buch wegzulegen - sogar ein Abendessen ist ausgefallen, um zum Ende zu kommen.
Sowohl Stil als auch Ideenreichtum suchen ihresgleichen. Zwar ist die Geschichte bei Lichte und im Nachhinein betrachtet sehr einfach und gradlinig, mit wenigen, kantigen Charakteren versehen und sprachlich und dem Umfang nach kein Meilenstein der Fantasyliteratur, aber selten habe ich eine derart spannende und in sich logische Geschichte gelesen. Ich hoffe, die Autorin bleibt Ueberreuter und dem Genre Fantasy erhalten. Sie vermag mit Sicherheit jeden zu fesseln, der Geschichten mit ein wenig Magie und Zauberei, viel Gefühl und dramatischen Ereignissen mag.

Stefan Erlemann



Hardcover | Erschienen: 01. Januar 2006 | ISBN: 9783800052219 | Preis: 16,95 Euro | 347 Seiten | Sprache: Deutsch

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