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Bio beziehungsweise Öko steht für "gesünder", "schadstofffrei", "nachhaltig", "geschmackvoller" und so weiter. So hören wir es allenthalben, und natürlich glauben wir es auch. Gern bezahlen wir dafür wesentlich mehr als für konventionell hergestellte Lebensmittel.
Ob das aber alles stimmt, was man uns über Bio-Lebensmittel erzählt? Denn hinter "Bio" und "Öko" steht eine wachsende Lobby mit massiven wirtschaftlichen Interessen.
Alex A. Avery, ein US-amerikanischer Ernährungswissenschaftler, hat sich mit diesem Thema befasst. Er vergleicht anhand von seriösen Studien die Qualität von Bio- und konventionellen Produkten, untersucht Anbaumethoden, zeigt statistikverfälschende Tricks auf und räumt mit allerlei Vorurteilen auf, indem er ihnen Fakten gegenüberstellt.
Eingangs bietet der Autor ein besonders groteskes Beispiel aus der Biobewegung, in dem Rohmilch als Wundermittel und flächendeckende Öko-Landwirtschaft, in der Hauptsache zur Erzeugung von Rohmilch, in Form einer scheinbar wundervollen Utopie ausgebreitet wird. Nach einem kurzen Abriss der Landwirtschaftsgeschichte bis hin zum Einsatz des Kunstdüngers beschreibt der Autor die Entwicklung der Öko-Food-Bewegung, die zu einem nicht unerheblichen Teil auf den Anthroposophen Rudolf Steiner zurückgeht. Hier nun zeigt sich die stark esoterisch geprägte Komponente der engagierten Bio-Befürworter.
In den weiteren Kapiteln wird untersucht, ob konventionelles Essen wirklich mehr Pestizidrückstände, Hormone, Antibiotika und so fort enthält als Bio-Lebensmittel - und weniger Nährstoffe. Die Antwort mag eingefleischte Bio-Fans verdrießen, Menschen, die nicht unnötig Geld ausgeben, aber auf ihre Gesundheit achten wollen, hingegen erfreuen. Kaum bekannt sein dürfte, dass auch Bio-Bauern bestimmte Pestizide einsetzen dürfen und dies auch tun, und dass diese Pestizide zum Teil nicht "ohne" sind.
Schließlich stellt Avery das "System Bio" dem konventionellen System gegenüber. Es zeigt sich demzufolge, dass Nachhaltigkeit und der Schutz von Wäldern und anderen bislang nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen nur mittels konventioneller Landwirtschaft möglich ist, am besten unter kontrolliertem Einsatz von Gentechnik.
Dieses Buch werden überzeugte Anhänger des Bio-Wahns vermutlich sowieso nicht lesen, interessant ist es eher für jene, die sich von der Werbung verunsichern lassen, die behauptet, Bio-Ware sei pestizid-, hormon- und antibiotikafrei, und deshalb indirekt den konventionellen Produkten unterstellt, sie seien es nicht. Was, wie Avery anhand von seriösen Studien nachweist, in denen auch nicht in beliebter Bio-Manier Äpfel mit Birnen verglichen werden, so ganz einfach nicht stimmt. Bio-Ware enthält im Mittel nicht mehr und nicht weniger schädliche Stoffe als herkömmliche, davon abgesehen, dass sie anfälliger für Kolibakterien (aus Gülle) und Schimmel ist. Beides kann man nicht als gesund bezeichnen.
Die Kapitel werden eingeleitet durch die Gegenüberstellung von Zitaten unter den Titeln "Biobefürworter glauben" und "Die Realität zeigt"; Avery erlaubt sich, die Einbindung der Urheber der Zitate in Öko-Unternehmen stichwortartig darzustellen und anzugeben, ob die sich Äußernden finanzielle oder wirtschaftliche Interessen an der Bio-Landwirtschaft haben - was in der Regel der Fall ist. Im Gegensatz hierzu kommen in "Die Realität zeigt" bewusst unabhängige Spezialisten zu Wort, etwa der FDA (Food and Drug Administration).
Der gesunde und kritische Menschenverstand wird bei der Lektüre gefordert, denn Avery bietet Fakten an und gesteht der Bio-Landwirtschaft durchaus auf einigen Gebieten Punktgewinne zu, wo sie es verdient. Subjektiv geht er nicht vor. Aber Esoterik hat seiner Meinung nach in der Landwirtschaft nichts zu suchen.
Was Effektivität, das heißt, Erträge, angeht, vermag Bio-Landwirtschaft nicht mitzuhalten, was verfügbare, nachvollziehbare Studien zeigen. Keineswegs kann die ganze Welt mit der aktuellen Bevölkerungszahl "bio" unterhalten werden, wie das Buch nachweist.
Was am Buch ein wenig stört, ist einmal die - für einen amerikanischen Autor freilich selbstverständliche - Fixierung auf die Situation in den USA; hier hätte man wohl, wo die europäischen Regelungen abweichen, darauf hinweisen können. Außerdem hätte dem Buch ein sorgfältigeres Lektorat gut getan, unter anderem, um Übersetzungsfehler auszumerzen: Dass "billion" "Milliarde" und nicht "Billion" heißt, hätte angesichts des Zusammenhangs mit der aktuellen Weltbevölkerung wirklich auffallen müssen.
Inhaltlich jedoch ist das Buch sehr empfehlenswert, insbesondere für kritische Leser, die sich nicht einfach dem Zeitgeist unterwerfen und ihr Geld statt für eine geradezu religiös anmutende, aber unrealistische Idee lieber sinnvoll ausgeben möchten.