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Es ist vor allem die Seidenstraße in ihrer Eigenschaft als seit der Antike genutzter Handelsweg zwischen Ost und West, um deren Karawanen sich Legenden ranken. Oft wird hingegen vergessen, dass es über viele Jahrhunderte einen ähnlich bedeutsamen Handelsweg vom Südosten der arabischen Halbinsel zum ägyptischen Alexandria beziehungsweise bis nach Gaza gab: die Weihrauchstraße.
Rom brauchte Düfte. Der Autor stellt zu Anfang des Buchs die Situation in der gewaltigen Metropole dar, die einfach nur erbärmlich stank, sehr zum Verdruss einer schwerreichen, kultivierten Oberschicht. Weihrauch und andere Geruchsstoffe, die teils im arabischen Raum, teils in Indien angebaut wurden, erzielten in Rom horrende Preise, die wiederum den beschwerlichen Handel überaus attraktiv machten.
In den ersten Kapiteln geht es vorwiegend um die begehrten Produkte sowie um die Geschichte der arabisch besiedelten Gebiete, die Nicht-Orientalisten zumeist relativ fremd ist, zumal sich die arabische Welt größtenteils gegen den Westen abschirmte. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert konnten nur wenige verwegene Entdecker Informationen über diese Kultur und ihre Vergangenheit gewinnen. Seit Jahrtausenden ist Arabien geprägt vom Widerspruch, aber auch von der wirtschaftlichen Abhängigkeit zwischen sesshaften Bauern und Nomaden, zugleich auch von der durch klimatische Veränderungen angestoßenen Trennung zwischen Nord- und Südarabien. Sehr gut arbeitet der Autor heraus, wie die nördlich gelegenen Reiche in weltpolitische Wirren hineingezogen wurden, während im Süden "Arabia Felix" niemals länger in Abhängigkeit geriet. Und durch Arabia Felix verlief der größere Teil der Weihrauchstraße.
Eine Reihe von Kapiteln widmet sich schließlich den Stationen der Weihrauchstraße, ihrer Historie und den archäologischen Befunden. Viele dieser Orte sind im Lauf der Geschichte unbedeutend geworden oder besaßen nie überregionale politische Relevanz, andere wie Medina und Petra tragen große Namen. Abschließend geht es logischerweise um die Häfen, in denen die wertvolle Fracht verschifft wurde, um die beschwerliche Überfahrt und die Häfen der Römer. Eine Zeittafel im Anhang ermöglicht es dem Leser, etwa sechstausend Jahre Geschichte der von der Weihrauchstraße geprägten Region nachzuvollziehen.
Einfach ist es nicht, die Geschichte der Weihrauchstraße zu rekonstruieren, da die Quellen und archäologischen Funde nicht allzu üppig beziehungsweise glaubwürdig sind - oder einander widersprechen - und kulturelle wie politische Gegebenheiten teilweise die Feldforschung unmöglich machen. Dem Autor ist es gelungen, aus dem Gespinst von Mythen, religiösen Schriften und anderen Quellen eine logisch einwandfreie, kaum noch lückenhafte politische, Kultur- und Handelsgeschichte dieser Route zu erstellen, die sich zudem packend lesen lässt. Schon allein die Ausführungen über die Hintergründe des römischen Bedarfs an orientalischen Duftstoffen geben Aufschluss über die komplexen multinationalen Beziehungen in der Antike. Dank der ausführlichen Informationen über klimatische und politische Verhältnisse im antiken Arabien einschließlich auch der Beziehungen zu Äthiopien und Ägypten sowie aufstrebender und verlöschender Vorherrschaften einzelner Stämme und Reiche, die man aus dem Alten Testament beziehungsweise anderen lokalen Quellen kennt, wird für den Leser gut verständlich, welchen Einfluss die vielfach hart umkämpften Abschnitte der Weihrauchstraße oder vielmehr die Aussicht auf die dort abzuschöpfenden gewaltigen Abgaben auf die ganze Entwicklung der Region hatten. Zudem weiß der Autor die Beschwernisse und Bedrohungen der durch unwirtliche Gebiete und Wüsten, darunter die besonders lebensfeindliche Rub el-Chali, vorzüglich darzustellen, mit denen sich die Karawanen stets konfrontiert sahen. Frank Rainer Scheck geht unter anderem auch auf die besondere Eignung des Kamels für diese Handelsreisen ein.
Im Text finden sich zahlreiche Schwarz-Weiß-Abbildungen von Monumenten und künstlerischen Darstellungen zum jeweiligen Thema; in der Mitte des Buchs illustrieren prächtige Farbaufnahmen bedeutende Stationen der Weihrauchstraße. Karten am Anfang des Buchs ermöglichen es dem Leser, die Route zu verfolgen - leider fehlen manche der im Text hervorgehobenen Orte.
Das Buch gibt einen umfassenden Einblick in einen interessanten Abschnitt der Kulturgeschichte der Antike und weit darüber hinaus, lassen sich doch, wie der Autor häufig aufzeigt, die Folgen damaliger politischer Konstellationen und Abhängigkeiten sowie klimatischer Entwicklungen heute noch deutlich, oft dramatisch, erkennen. Über den geschichtlichen Aspekt hinaus vermittelt das Buch somit auch Verständnis für die Entstehung und die Besonderheiten der arabischen Kultur, die dem Westen immer fremd geblieben ist.