Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Gefühl | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Nach der Erstveröffentlichung ihres Bestseller „Die Frau des Zeitreisenden“, der 2009 in Deutschland in die Kinos kam, war es lange still um Audrey Niffeneger. Jetzt ist mit „Die Zwillinge von Highgate“ ihr zweites Buch erschienen, in das hohe Erwartungen gesetzt wurden.
Als Elspeth an Krebst stirbt, weiß Robert, ihr Lebensgefährte, lange nicht, was er machen soll. Doch Elspeth hat vorgesorgt: In ihrem Testament hat sie ihre Wohnung und ihren ganzen Besitz – außer Tagebüchern und Fotos – den Zwillingstöchtern ihrer eigenen Zwillingsschwester hinterlassen, die nun aus Amerika nach London kommen, um das Erbe anzutreten. Lange traut Robert sich nicht, auf die Mädchen, die nun im gleichen Haus leben wie er, zuzugehen, doch nach und nach fasst er Mut. Julia und Valentina, die beiden Schwestern, sehen zwar aus wie das Spiegelbild der jeweils anderen, charakterlich sind sie aber ganz verschieden: Julia, dominant und fürsorglich, Valentina, passiv und zurückgezogen. Das birgt einiges an Konfliktpotential. Die Konflikte vermehren sich noch, als sich zwischen Valentina und Robert zarte Gefühle entwickeln und Julia sich ausgeschlossen fühlt. Dann wird ihnen auch noch bewusst, dass Elspeths Geist in ihrer Wohnung lebt und zumindest mit Valentina sehr viel kommuniziert. Als Julias Druck auf Valentina immer stärker wird, entschließt sich das Mädchen zu einem folgenschweren Schritt, unterstützt von Elspeth, die noch im Tod das Leben derer lenkt, die ihr im Leben etwas bedeutet haben …
Als Leser von „Die Frau des Zeitreisenden“ hat man große Hoffnungen. Jener Roman war so malerisch geschrieben, so wunderschön wurde die Liebe geschildert. Wenn man denkt, dies wäre der Autorin ein weiteres Mal gelungen, irrt man sich. Zwar soll es auch in diesem Roman um Liebe gehen, doch die sucht der Leser vergeblich. So egoistisch, so ohne Reue und ohne Rücksichtnahme ist Liebe hoffenltich nicht, ansonsten wäre es besser, niemals geliebt zu werden.
Das Geheimnis, dass die Autorin um Elspeth und ihren Zwilling Edie, um Julia und ihren Zwilling Valentina webt, ist zwar zunächst ganz interessant, wird dann aber doch zu sehr vernachlässigt, um fesseln zu können. Es passiert so nebenher, wird nebenher gelüftet, hat aber keinerlei Konsequenzen. Auch Valentina, die beim Versuch, dem Einfluss ihrer Schwester zu entkommen, zu drastischen Mitteln greift, kommt dem Leser sehr übertrieben vor. Niffenegers Stil ist zwar nach wie vor gut zu lesen, stellenweise fast schon poetisch, aber schöne Wörter helfen nicht, wenn der Inhalt nicht überzeugt.
Leider hat dieses Buch durch den Erstling Niffeneggers zu viele Vorschusslorbeeren erhalten. So werden wohl viele Leute dieses Buch kaufen und hinterher enttäuscht sein. Natürlich finden Geistergeschichten wohl auch einige Fans, aber "Die Zwillinge von Highgate" kann seine Versprechungen einfach nicht halten, zu deprimierend, zu leer und unrealistisch wirkt alles. Und mit unrealistisch ist hier nicht die Tatsache gemeint, dass Geister in Wohnungen verbleiben, sondern das Problem, dass die Charaktere des Romans so egoistisch und merkwürdig handeln, dass man ihnen ihre angebliche Liebe gar nicht abnimmt.
So bleibt am Schluss des Romans ein schlechter Nachgeschmack übrig. Das Buch hat zwar seine Momente, die wirklich gut sind, aber zu viele andere Episoden machen jeden guten Eindruck zunichte. Nicht zuletzt das Ende gibt jeder eventuell aufgekommenen guten Meinung über den Roman den Todesstoß.