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Fünfzig Jahre lag der Brief auf dem Dachboden. Doch die Post ist gewissenhaft und liefert ihn, einmal gefunden, an die gewünschte Adresse aus. Meredith Baker bricht in Tränen aus, als sie den Brief ihrer Freundin Juniper Blythe in Händen hält. Ein Verhalten, das ihre Tochter Edie zutiefst verunsichert. Ihre Mutter weint nie und zeigt auch sonst möglichst keinerlei Gefühle.
Auch was ihre Mutter in den Kriegsjahren erlebt hat und in welcher Beziehung sie zu den drei Töchtern des berühmten Schriftstellers Raymond Blythe steht, ist Edie völlig unklar. Dass ihre Mutter ein Jahr auf Schloss Milderhurst lebte und nie verwinden konnte, dass sich ihre beste und einzige Freundin Juniper nie mehr bei ihr gemeldet hat, findet Edie nur durch Zufall heraus. Und wieder ist es ein Zufall, dass sie nach einer Fahrt aufs Land ausgerechnet vor Schloss Milderhurst steht. Und auch, wenn ihre Mutter steif und fest schwört, nie wieder in Milderhurst gewesen zu sein, ist sich Edie sicher, dass sie mit ihrer Mutter just vor dem schmiedeeisernen Tor stand, das sie fünfzig Jahre später als Besucherin durchquert. Und die drei Schwestern Juniper, Saffy und Percy leben dort immer noch. Die Zeit scheint auf Schloss Milderhurst nur langsam zu vergehen und welche Geheimnisse die Mauern verraten könnten, deutet sich Edie bereits bei ihrem ersten Besuch an. Die offensichtlich geistig verwirrte Juniper wartet seit fünfzig Jahren auf das Eintreffen ihres Verlobten. Sie hält Edie für deren Mutter Meredith und spricht von einem schrecklichen Verbrechen, das sie begangen hat.
Edie versucht mehr über die drei Schwestern, deren Vater Raymond und Schloss Milderhurst herauszufinden, und auch, welche Rolle dies im Leben ihrer Mutter gespielt hat – doch alle, die ihr helfen könnten, schweigen beharrlich. Auch ihre Mutter zeigt sich zutiefst abgeneigt, die Vergangenheit aufleben zu lassen. So bleibt Edie nichts weiter übrig, als aufzugeben. Da verlangt ausgerechnet Percy Blythe, die harte, strenge und unnahbare Percy, dass Edie das Vorwort zu einer Jubiläumsausgabe des berühmtesten Buchs ihres Vaters Raymond schreiben soll. Und wie könnte Edie widerstehen, ist "Der Modermann" doch das Buch, das in ihr die Liebe zur Literatur geweckt hat.
Der dritte Roman der Australierin Kate Morton, die mit "Das geheime Spiel" und "Der verborgene Garten" zwei Bestseller geschrieben hat, die weltweit für Furore sorgten, spielt wiederum mit verschiedenen Zeitebenen.
Anders als ihren ersten beiden Büchern versucht Kate Morton in "Die fernen Stunden" jedoch, weitestgehend darauf zu verzichten, Ereignisse aus der Vergangenheit aus den Augen der handelnden Personen zu schildern. Sie versucht, alle Vorkommnisse aus der Sicht Edies zu betrachten. Mal sind es Augenzeugen, mal Briefe, mal ein Tagebuch, das die entscheidenden Hinweise liefert, die zur Auflösung der Geheimnisse führen.
Die gekürzte Hörbuchfassung wird gelesen von Esther Schweins. Sie lässt die selbstbewusste Edie erklingen wie die herrische Percy, die entrückte Juniper oder die sanftmütige Saffy. Vor allem aber lässt sie die düstere Atmosphäre des Schlosses, die tragischen Ergebnisse der Vergangenheit und die allem als Rahmen und Ursache dienende Binnenerzählung "Der Modermann" zum Leben erwachen, dass es dem Hörer durch Mark und Bein geht. Es gibt Hörbücher, die fallen gegen das Buch ab, manche ergänzen es, andere sind dem Buch gar zu bevorzugen. Selten ist es eigentlich das Hörbuch, das die Geschichte 'richtig' erzählt. In "Die fernen Stunden" hat man von Anfang an das Gefühl, inmitten der Welt der Schwestern Blythe zu leben, Schloss Milderhurst einen Besuch abzustatten und Edie und Meredith zu lauschen. Fast hört man den Donner grollen, den Modermann sich erheben und die Adern des Schlosses flüstern, wenn man Esther Schweins zuhört. Sie vermag nicht nur den Text von Kate Morton aufleben zu lassen, sie versetzt den Hörer regelrecht ins Geschehen. Mehr noch, man kann dieses Schloss kaum mehr verlassen, die Geschichte zu vergessen. Auch nach den einzelnen Kapiteln denkt man über die Geschichte nach, versucht zu ergründen, was dort 1941 geschehen ist und inwiefern man dies heute noch herausfinden könnte. Man kann es kaum mehr aubwarten weiter zu hören, Edie ins Schloss zu folgen und Percy zu lauschen, wenn sie denn endlich erzählt, was sie erlebt hat.
Stilistisch ist dieser Roman von Kate Morton absolut brillant konzipiert. Er ist ehrlich, spannend, wirkt in jeder Sekunde realistisch. Man mag kaum glauben, dass dies alles der Fantasie der Autorin entsprungen ist, so lebensecht wirken die Ereignisse. Dank Esther Schweins Vortrag ist man völlig gefangen in der dramatischen Vergangenheit der drei Schwestern und ihrer Fürsorge füreinander.
Keine Frage, diesen Roman muss man einfach gehört haben!
Die Hörprobe: "Die fernen Stunden"