In Dingerchen und andere bittere Köstlichkeiten haben die sechs Autorinnen Eva Encke, Susanne Posse, Ursula Posse-Kleimann, Silvana Richter, Iso Schröder und Heike Wulf, die zusammen die Autorinnengruppe Undpunkt bilden, kleine Horrorgeschichten zusammengestellt.

Die dreißig Kurzgeschichten und ein Gedicht befassen sich mit unterschiedlichsten Themen, gemeinsam ist ihnen nur die boshafte Idee, den alltäglichen Horror pointiert darzustellen.
Susanne Posse ist mit sechs Geschichten dabei. Séance ist eine bitterbösen Geschichte, in der eine harmlose spiritistische Sitzung die Jugendsünde von Torsten ans Tageslicht holt und diesen mit voller Wucht trifft. Kaffeefahrt berichtet über die Flucht einer jungen Frau vor ihrem prügelnden Ehemann, die ausgerechnet zu einem Krematorium führt und ungeahnte Zukunftsaussichten offenbart. Hunger schildert einen folgenschweren Irrtum bei Vollmond, Der Künstler offenbart, wie sehr man Volksmusik hassen kann, und Im Keller zeigt, was alles passieren kann, wenn man einen gut gemeinten Rat nicht befolgt. Ihre letzte Geschichte, Gesundheit macht Arbeitnehmern klar, dass sie besser nicht krank werden sollten.
Eva Encke hat Die Sonne, das absurde Schicksal eines Schiffbrüchigen, U-Bahn-Bau, ein Bauprojekt an einem alten Friedhof, Der verschwundene Mann, eine satanische Geschichte über einen "geduldeten" Mord, Haustiere, Die Wunderpille, Die Männer und Das Grauen beigesteuert.
Heike Wulf ist siebenmal vertreten. Vor allem Bordeauxrot, eine etwas andere Beschäftigung für einen Schriftsteller, ist erwähnenswert. Ihr "schlimmstes" Werk aber ist Abendrot, die Geschichte eines folgenschweren Irrtums.
Iso Schröder wirft Stadthaus, Schritte im Hof und Melanie ins Rennen um die Lesergunst. Ursula Posse-Kleimann trägt mit Dingerchen, Der Feuerkessel, Im Aufzug, Autobahnkloo und Der hölzerne Prinz zu dem Buch bei.
Die letzte im Bund ist Silvana Richter, deren Geschichte Der neue Mitbewohner deutlich macht, was passiert, wenn man seinen Mitmenschen nicht traut. Auch Tödliche Erinnerung und [/i]Unter Geiern[/i] stammen aus ihrer Feder.

So vielfältig die Geschichten auch sind, ihnen ist gemeinsam, dass sie in kürzester Form das Böse im Menschen hervorzaubern. Der Leser wird zum Mittäter, zum Voyeur, zum Mitschuldigen gemacht und kann sich noch nicht einmal der Sympathie für diese kleinen Mörder und Racheengel verschließen.
In diesen skurrilen, bösen, traurigen, abgrundtief schwarzhumorigen Geschichten findet sich immer ein Korn Weisheit, ein wahrer Ansatzpunkt, ein alltäglicher Gedanke. Nur treiben ihn die Autorinnen auf die Spitze, lassen ihn in die Absurdität gleiten oder spielen einfach mit der Fantasie des Lesers. Immer aber vollführen sie die Wende zum Schlechten, Mörderischen und Abartigen.
Mit höchstem Vergnügen, leichter Gänsehaut oder zartem Widerwillen begleitet der Leser die Autorinnen bei dem Versuch, ihn zu unterhalten. Immer gelingt dies zwar nicht auf höchstem Niveau, aber da die Geschichten kurz, die Themen wechselhaft und die Pointen mindestens überraschend, wenn nicht genial sind, findet der Geschmack des Lesers immer sein Ziel. Ist es gerade nicht die eine Geschichte, weiß die nächste zu begeistern, die dritte zu fesseln und die vierte Geschichte zu ängstigen.
Die Vielfalt ist hier Programm, die Variabilität System. Den Autorinnen gelingt es spielend und spielerisch, den Leser mitzunehmen in die Welt des Grauens und des Absurden. Selten ist eine solche Mischung derart gelungen wie in diesem schmalen Bändchen.

Fazit: Die sechs Damen haben mit Talent und ambitioniert ihre schwärzesten Geschichten vereint und dem geneigten Leser kredenzt. Es ist ein gelungenes Menü; auch wenn man nicht alles mag oder gutheißen muss, in seiner Gesamtheit ist dieses Buch köstlich, brillant und gelungen - was will man mehr?
Das gelungene und die Geschichten wunderbar illustrierende Coverbild gestaltete Frank Hoese, Hörder Autor und Illustrator.