Ein Buch über Schmutz oder Dreck?, fragt man sich angesichts des Titels irritiert. Der Untertitel, "The Ecstatic Skin of the Earth", verrät schon mehr: Es geht um Erde, also das Material, aus dem Pflanzen wachsen, und das uns, obschon wir indirekt davon leben, bemerkenswert fremd ist. "You are about to read a lot about dirt, which no one knows very much about", lautet denn auch der einleitende Satz des Autors.
Logan hat sein Werk in acht Teile gegliedert, die jeweils aus mehreren essayartigen Kapiteln bestehen und unabhängig voneinander gelesen werden können. Die Themen weisen eine angesichts der auf uns so alltäglich wirkenden Substanz Erde verblüffende Vielfalt auf. Da geht es allein im ersten Teil um die Herkunft der Erde, also des Erdbodens, der durch Erosion aus Gestein entstand, das wiederum aus einer älteren Sternengeneration geboren wurde, um Humus und Materiekreisläufe, um unterschiedliche Bodenqualitäten, die auch vom pH-Wert abhängen, um Erosion und jungfräuliche Böden sowie deren Schicksale bei intensiver Bewirtschaftung.
Wenn Sie bislang nicht wussten, dass unsere Kultur ohne die Funktion der Gletscher als Gesteinsmühlen während der Eiszeiten nicht möglich geworden wäre, können Sie sich im zweiten Teil darüber informieren, der sich jedoch auch intensiv mit verschiedenen Methoden der Düngung und Kompostierung befasst. Ein Abschnitt befasst sich mit unterschiedlichen geologischen Gegebenheiten, die sich auf die Erdkruste und ihren für uns lebensnotwendigen Belag auswirken, ein weiterer mit den verschiedenen Ton- und Schlickarten, ihrer Entstehung und ihrer Bedeutung für den Menschen. Auch die Lebewesen, die ganz unmittelbar in und von der Erde leben und sie teilweise durch ihren Stoffwechsel zu dem machen, was die Pflanzen benötigen, sind Inhalt eines der Abschnitte.
Das schwierige Verhältnis zwischen Mensch und Boden wird ebenfalls thematisiert, etwa die Optimierung der Ernten im frühgeschichtlichen Mesopotamien durch künstliche Bewässerung und die für die damaligen Menschen unvorhersehbare, daraus hervorgegangene irreversible Versalzung ihrer Böden, die schließlich zu Hungersnöten und dem Untergang ganzer Völker führte. Eine ebenfalls menschengemachte Katastrophe war die "Dust Bowl" der 1930er Jahre, als aufgrund der gewaltigen Monokulturen einige trockene Sommer in mehreren Bundesstaaten der USA zu einer fatalen Winderosion der Ackerkrume und zu einer derart staubgeschwängerten Luft führten, dass es zu folgenschweren Missernten kam und die Menschen im Freien zu ersticken drohten. Die Abhängigkeit der Menschen vom empfindlichen Mutterboden wird dem Leser anhand dieser Beispiele intensiv bewusst.
Ganz in der Tradition amerikanischer populärwissenschaftlicher Literatur vermittelt auch dieses Buch vielseitiges Wissen in ansprechender, unterhaltsamer Aufmachung. Interessanterweise lässt sich der Titel, "Dirt", nicht optimal ins Deutsche übersetzen. Der Autor hat diesen Begriff, der umgangssprachlich, aber nicht eigentlich abwertend anstelle des vornehmeren, präzisen "soil" für "Erde" verwendet wird, bewusst gewählt, denn er steht für die vielen Gesichter, die jene braune Substanz aufweist, die das blanke tote Gestein bedeckt, und denen er nachspürt. Er ruft dabei Kindheitserinnerungen wach, die einen unmittelbaren Bezug zur Erde anhand der kindlichen Buddelleidenschaft und Liebe zu Regenwürmern herstellen, und stellt dann geschickt Assoziationen zu wissenschaftlichen Forschungen und Erkenntnissen her. Der Leser lernt zudem einige interessante Persönlichkeiten kennen, die sich beruflich mit Erde befassen, seien es nun Geologen, Biologen oder Kompostierungsfachleute - oder auch Politiker wie John Adams und Thomas Jefferson, die beide eine starke Beziehung zum Boden hatten, ohne die negative Bedeutung, die dieser Ausdruck in Deutschland besitzt.
Man kann dieses anregende, trotz seiner Sachlichkeit ein wenig poetische Buch dank seiner Gliederung in "Häppchen" genießen oder auch, wenn man sich ausreichend fesseln lässt, am Stück. Die Sprache ist insgesamt unkompliziert und für deutschsprachige Leser mit durchschnittlichen Sprachkenntnissen problemlos verständlich. Natürlich werden die meisten Leser bei den Abschnitten mit spezifischeren Inhalten, etwa, wenn es um die unterschiedlichen Tone und Schlicke geht, ein paar Begriffe nachschlagen müssen.
Die Aufmachung des Buchs wäre sehr gefällig, wenn nicht die unangenehm geringe Schriftgröße den Lesekomfort störte. Hier hat der Verlag offensichtlich am falschen Ende gespart.
Dennoch ist das Buch zu empfehlen. Es behandelt kurzweilig und informativ ein ebenso banales wie außergewöhnliches Thema aus den verschiedensten Blickwinkeln und öffnet das Verständnis und die Sensibilität des Lesers für geologische, biologische, kulturelle und ökologische Zusammenhänge, die über das im Alltag der meisten Menschen kaum beachtete braune Zeug namens Erde, eben "dirt", definiert sind.
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