Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Gefühl | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Eigentlich möchte Viktor nur seine Ruhe haben. Denn er ist im Grunde zufrieden mit seiner kleinen Moskauer Wohnung, in der ab und an der Strom ausfällt und sich die Tapeten ablösen, denn er hat keine hohen Ansprüche und erwartet nicht viel vom Leben. Dennoch ist er ein recht netter Kerl, weswegen er auch das verletzte Mädchen, das er an seiner Tür findet, erst einmal bei sich übernachten lässt. Am anderen Tag begleitet er sie dann nach Hause, weil er ihr das versprochen hat.
Nur dummerweise fangen damit die Schwierigkeiten an. Sie beide geraten in eine Art Übergang zwischen den Welten, in dem sie von irgendwelchen Personen angegriffen werden und mitten in der wilden Natur landen. Für Viktor ändert sich auf einmal sein ganzes Weltbild, da er sich nun, gemeinsam mit Tel, seiner jungen Begleiterin, in einer fantastischen Welt aufhält, die sich direkt neben seiner Wirklichkeit befindet. Es kommt, so berichtet Tel, immer mal wieder vor, dass die Andere Seite, also Viktors Welt, Menschen abstößt, die eigentlich besser in die Mittelwelt passen würden, dorthin, wo sich nun auch Viktor befindet.
Allerdings ist Viktor kein gewöhnlicher Mensch. Nachdem er den ersten Schrecken überwunden hat, weiht ihn Tel darin ein, dass sich bald ein gewaltiger Drache erheben wird, den fast niemand bezwingen kann, außer der Drachentöter. Und so wie es scheint, ist Viktor als Drachentöter geboren worden. Um seine Aufgabe zu erfüllen, muss er die Kräfte der Elemente erlangen und die Prüfung auf der Dracheninsel bestehen. Eine gar nicht einfache Aufgabe, wenn mehrere Magierclans darauf aus sind, einen zu töten, da sie den Drachentöter mehr fürchten als den Drachen selbst.
"Drachenpfade" ist ein Gemeinschaftswerk von Sergej Lukianenko und Nick Perumov, wobei man sich natürlich streiten kann, wie viel jeder zum Entstehen des Buchtitels beigetragen hat. Doch diese Überlegungen sind müßig, da den Leser ein fantastischer und realistischer Roman erwartet, der genau die richtige Mischung aus Humor, Realität und Spannung enthält. Die Hauptfigur sticht dabei besonders heraus. Viktor erlebt alle seltsamen Ereignisse mit einer Spur Interesse, dennoch wirkt es, als passe er sich recht schnell an, indem er die ganze Welt lediglich als verschobene Version der Realität betrachtet. Abgesehen von ihm ist besonders der ehemalige Drachentöter, der Luftmagier Ritor, mit einem besonderen Charakter versehen, da er den größten Widersacher darstellt. Alle anderen Personen bleiben immer ein wenig im Dunkeln.
Gespannt verfolgt man als Leser die gefährliche und spannende Reise Viktors durch die Mittelwelt. Indem man immer wieder Einblicke in die Pläne der rivalisierenden Parteien erhält, wird die Erzählung noch spannender, da man im Voraus weiß, welche Gefahren und Fallen warten, und erfahren will, wie und ob die Hauptfigur entkommen kann. Sehr schön hebt sich der Roman auch von anderen Büchern des Genres ab, indem er eigene Pfade beschreitet und alle Klischees gekonnt zu umschiffen vermag. Denn auch wenn der Außenseiter, der in diese Welt gerät, ein schlummerndes Erbe in sich trägt, wird er dennoch nicht zur Heldenfigur, ebenso wenig wie er mit seiner hübschen und weiblichen Begleiterin eine Liebesgeschichte beginnt. Zwar werden dadurch die Erwartungen mancher Leser nicht erfüllt, doch bleibt die Geschichte so bis zum Schluss spannend. Dennoch bleibt am Ende ein kleiner schaler Nachgeschmack für den Leser, da nicht alle Rätsel aufgedeckt werden, was jedoch auch den Charakter des Buches ausmacht.
Wer sich abseits von gewöhnlicher Fantasy bewegen möchte, dem kann man "Drachenpfade" getrost ans Herz legen. Erfrischend anders, überraschend düster und dennoch eine Geschichte voller Hoffnung.