Julius Birdwell ist eigentlich ganz glücklich mit seinem Leben. Er hat eine besondere Begabung als Goldschmied und vermeidet es erfolgreich, seinem Großvater als Einbrecher nachzufolgen. Wirklich gut ist er aber als Flohzirkusdirektor. In seinem Flohzirkus gibt es echte, ausgebildete Flöhe zu sehen, denen Julius sich verbunden fühlt und um die er sich sorgt. Als seine Tiere eines Nachts an Frost sterben, ist er am Boden zerstört. Er hat einen Moment nicht aufgepasst und das setzt eine Kette unglaublicher Ereignisse in Gang, in deren Verlauf er eine Meerjungfrau retten muss und dabei eine schöne Frau trifft, die ihm hilft und ihm eine unbekannte Welt zeigt. Auch ein Detektiv mit Gedächtnisproblemen wird ihm helfen und ein Leguan eine große Rolle spielen.

Julius kann nicht glauben, in welchen Schlamassel er sich da gebracht hat. So ganz normal war sein Leben nie, aber nachdem er auf eine Nixe trifft, wird es nie mehr so sein, wie es war. Kein Wunder, eigentlich, schließlich ist es äußerst ungewöhnlich, auf eine Sagengestalt zu treffen. Leonie Swann beschreibt diese Begegnung jedoch mit einer Nonchalance, die dem Buch einen Hauch Poesie verleiht. Überhaupt ist es ihr Stil und ihr Gespür für Skurilität, die "Dunkelsprung" zu etwas Besonderem machen. Dabei beginnt sie chaotisch. An jeder Ecke finden sich neue Figuren, von denen die Leser erst einmal nichts erfahren.
Da ist Julius, der seine Flöhe liebt und von ihnen geliebt wird. Er wird von einer Meerjungfrau gerettet, die wiederum um ihre Schwester fürchtet. Ein Privatdetektiv namens Mr. Green ermittelt, obwohl er nicht einmal weiß, wer er selber ist. Das würde schon für ein ganzes Buch reichen, aber Frau Swann fügt noch viel mehr Personen und Gestalten hinzu. Das ist in der ersten Hälfte der Geschichte sehr verworren, da ununterbrochen neue Fragen auftauchen, ohne dass die alten gelöst werden. Nach und nach allerdings erfahren Julius und seine Begleiter immer mehr Dinge, die einen Sinn ergeben und es sowohl ihnen als auch den Lesern leichter machen, den Ereignissen zu folgen.

Bis dahin ist es ein unterhaltsamer, wenn auch verwirrender Weg. "Dunkelsprung" lebt von den kleinen, sympathischen Einfällen, die Laune machen. Da sind die Flöhe, die eigene Persönlichkeiten haben und die nach ihrer Begegnung mit Thorn mutiger und bewusster werden. Ihre Kampfgesänge sind zwar nicht besonders abwechslungsreich, aber aufmunternd und unterhaltsam. "Blut, Blut, Blut tut gut!" ist ihr Motto und sie werden nicht müde, Julius ihre Zuversicht zu vermitteln. Wer hätte es gedacht, dass die kleinen Sauger so nette Gesellen sind?
Das Augenmerk richtet sich aber nicht nur auf Julius und seinen kleinen Zirkus. Auch Mr. Green, der träumt, er wäre Mr. Black ist eine äußerst interessante Figur, nicht erst, als er auf ein geheimnisvolles Wesen, das Legulas, trifft. Seine Suche nach Rose, die von ihrer Freundin vermisst wird, hat etwas Melancholisches, das Herzen anrührt.

Leonie Swann verzichtet in ihrem Buch darauf, alle Fragen restlos zu beantworten. Das würde auch nicht funktionieren, denn sie betritt darin eine Welt der Fantasie und der Märchen, die nie ganz erklärt werden kann. Es ist möglich, sich daran zu stören und wer Logik und Aufklärung erwartet, wird diesen märchenhaften Roman vielleicht nicht mögen. Wer jedoch in seinem Herzen Platz hat für Träume, Meerjungfrauen und Zauber, der ist hier richtig.

"Dunkelsprung" ist ein Buch über Zuversicht, Freundschaften und Mut. Es erzählt viele kleine Geschichten in einer großen und möchte seine Leser dazu auffordern, an sich selber zu glauben. Wie unglaublich die Chancen auch sind, manchmal müssen wir sie ergreifen und das Abenteuer wagen. Wie Julius schon zu seinen Flöhen sagt: "Es ist nur ein weiter Sprung."

Ein erster Blick ins Buch ist hier möglich.