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 Ein fliehendes Pferd


Cover
Gesamt ++---
Action
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Brutalität
Extras
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


Seit zwölf Jahren schon fahren Helmut Halm und seine Frau Sabine zum Urlaub an den Bodensee. Jegliches Feuer, das ihre Beziehung einmal gehabt haben mag, ist bereits erloschen, der biedere Helmut scheint von seiner Frau regelrecht angeödet zu sein. Doch da taucht Helmuts ehemaliger Klassenkamerad Klaus mit seiner jungen und bildhübschen Partnerin Helene auf - ein Lebemann, der peinliche Anekdoten aus Helmuts Kindheit erzählt und diesem damit schon nach kurzer Zeit gehörig auf die Nerven geht.
Die folgenden Tage drängen sich Klaus und Helene den Halms regelrecht auf, laden sie zu Segeltouren ein, besuchen unaufgefordert ihre Ferienwohnung. Doch obwohl Helmut seinen ehemaligen Schulkameraden nicht ausstehen kann, so zeigt er doch Interesse an der jungen Helene, die sich als einzige wirklich für ihn und seine Eigenarten zu begeistern scheint. Sabine dagegen weiß die offene und fröhliche Art von Klaus zu schätzen.
So sehen sich Mann und Frau der Versuchung ausgesetzt. Und der so langweilige Urlaub wird zu einer Belastungsprobe ihrer Beziehung und ihrer Nerven.


Martin Walsers Novelle "Ein fliehendes Pferd" wird zu den großen Werken deutscher Nachkriegsliteratur gezählt, gehört mittlerweile sogar zum Unterrichtskanon an Schulen. Unter der Regie von Rainer Kaufmann liegt hier die zweite Verfilmung des Stoffs vor, nachdem es 1985 bereits eine Umsetzung für das Fernsehen gegeben hatte. Doch während die alte Verfilmung zeitlich und inhaltlich wesentlich näher an der Buchvorlage war, nimmt Kaufmanns Version einige entscheidende Änderungen vor, die dem Film als Adaption des Buchs leider nicht gut tun. Die Geschichte wurde vom Ende der siebziger Jahre in die Neuzeit verlegt, Handlung und Charaktere weichen zu großen Teilen von der Vorlage ab. Zwar muss es erlaubt sein, auch großen literarischen Stoff wie "Ein fliehendes Pferd" mit künstlerischer Freiheit zu bearbeiten, doch die Seele dieser Geschichte und die schiere, fast schon ans Lyrische grenzende Sprachlichkeit der Novelle sind bei der Umsetzung leider verloren gegangen.

Helmut Halm, in der Novelle noch Sinnbild des typisch deutschen Kleinbürgers in der Midlife Crisis, wurde nun derartig verändert, dass man ihn nicht mehr als Sinnbild begreift, sondern nur noch als Sonderling. Zwar ist er immer noch Deutschlehrer und als solcher sehr belesen. Doch ein derartig zurückgezogener Mann, dessen liebstes Hobby das Beobachten von Vögeln ist, kann heutzutage noch kaum repräsentativ für eine Schicht gebildeter Mittvierziger sein. Und während der Helmut Halm der Novelle seine innere Verachtung nur dem Leser gegenüber äußerte, stellt sie der des Films von Anfang an offen zur Schau, was der Figur einiges an Tiefe raubt. Die anderen drei Charaktere haben ebenfalls kleine Veränderungen erfahren, so ergreift Sabine den Zeiten entsprechend häufiger die Initiative, ist Helene verführerischer und Helmut lauter.
Die Freiheit, mit der der Stoff behandelt wird, driftet aber zuweilen ins Absurde ab. Da macht sich Helmut nach einem schrecklichen Vorfall wesentlich dramatischere Vorwürfe, da schlägt die unterschwellige Versuchung in der Novelle in offene Verführung um, da fehlt sogar eine der Schlüsselszenen, in der Helene aus ihrem Leben beichtet. Walsers Geschichte ist bis auf einige Sätze kaum wiederzuerkennen.

Stattdessen bleibt ein typisch deutscher Beziehungsfilm, der es nicht schafft, sich aus der Masse typisch deutscher Beziehungsfilme abzusetzen. Einerseits mag man es dem Film anrechnen, dass er durch gute schauspielerische Leistungen des Ensembles schafft, durch kleine Gesten und Hinweise sämtliche Figuren bereits nach fünf Minuten rundum charakterisiert zu haben. Andererseits führt das dazu, dass die folgende Stunde nichts Neues über sie gesagt wird, die anfangs bestehende Dynamik lange Zeit die selbe bleibt. Schlüsselszenen wie der Sturm schlagen da auf einmal völlig aus dem Rahmen, wirken regelrecht polemisch und aufgesetzt. Und auch sonst nimmt man vom Film an sich wenig mit.

Es ist den sehr guten Leistungen Noethens, Riemanns und Tukurs - der sich zugegeben nahe an der Übertreibung befindet - zu verdanken, dass Kaufmanns Version von "Ein fliehendes Pferd" keine komplette Gurke geworden ist. Ihr gutes Zusammenspiel kann sich wirklich sehen lassen, da sie ihre Rollen mit Leben füllen und ihre Charaktere nuanciert darzustellen wissen. Ein wenig trockener Humor lässt den Film ebenfalls punkten, und Ansätze eines tieferen Verständnisses dieser vier Figuren lassen sich zumindest gelegentlich erkennen. Doch ansonsten muss man diese leichte Modernisierung eines jungen Klassikers leider als gescheitert betrachten.

Julius Kündiger



DVD | Disc-Anzahl: 1 | Erschienen: 01. April 2008 | FSK: 12 | Laufzeit: 92 Minuten | Preis: 15 Euro | Untertitel verfügbar in: Deutsch | Verfügbare Sprachen: Deutsch

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