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Mau traut seinen Augen nicht: Vier Wochen hat er allein, fern von seinem Volk, auf einem kleinen Atoll verbracht, um vom Jungen zum Mann zu werden. Nun ist die Mannbarkeitsprüfung fast bestanden, doch als Mau mit seinem Kanu zurück nach Hause paddelt, zurück zur Nation, ist die Insel von einem gewaltigen Sturm verwüstet und entvölkert, alle Bewohner sind tot - die Nation existiert nicht mehr.
Nachdem sich der erste Schock über die Katastrophe gelegt hat, beginnt Mau, die Leichen zu bestatten. Es stellt sich heraus, dass der Junge, der fast ein Mann ist, nicht allein ist: Auch das Geistermädchen Daphne hat es durch den verheerenden Sturm auf die Insel verschlagen; sie ist die letzte Überlebende eines Segelschiffes, der "Sweet Judy". Mau und Daphne, die natürlich kein Geist ist, sondern in Maus Augen nur so aussieht, nähern sich langsam aneinander an, bringen sich gegenseitig Wörter bei, um sich zu verständigen. Sie beginnen, die Nation neu zu beleben und müssen dabei so manche Schwierigkeit überwinden, vor allem so manches Missverständnis - immerhin ist Mau aus Sicht von Daphne, die aus der englischen Oberschicht stammt, quasi ein "Wilder". Und für Mau ist Daphne nicht nur geisterhaft weiß, sie gehört auch zu den "Hosenmenschen", die fremdartig sind und sich äußerst merkwürdig benehmen.
Bald treffen auch andere Überlebende des Tsunami ein, unter anderem der Priester Ataba, eine Frau und ein Baby. Doch dann landen weitaus gefährlichere Eindringlinge auf der Insel - und damit beginnt für Daphne und Mau der wahre Überlebenskampf ...
Mit "Eine Insel" hat Terry Pratchett wieder einmal ein Buch geschrieben, das für sich allein steht und nicht zu den Scheibenwelt-Romanen zählt. Die Geschichte spielt, wie so oft, in einem Universum, das fast unseres sein könnte; der Zeitrahmen ist der des Viktorianischen Englands im späten 19. Jahrhundert. "Eine Insel" ist nicht nur eine Robinsonade und eine Geschichte vom Anfang der Dinge, sondern stellt, Pratchett-typisch, auch viele philosophische und gesellschaftskritische Fragen. Mau etwa ist nach dem verheerenden Sturm nicht mehr bereit, den Göttern demütig für sein Überleben zu danken und alles von ihrer Gnade und ihren rätselhaften Wünschen abhängig zu machen - er setzt sich entschlossen über die althergebrachten Regeln hinweg, um sein Überleben und das der anderen zu sichern.
Das klassische Pratchett-Feeling mag diesmal nicht so wirklich aufkommen, was vielleicht einige Fans des britischen Autors enttäuschen wird. Zwar blitzt natürlich der typische Humor auf, gibt es fantastische Elemente, skurrile Situationen und Sprachwitz - der allerdings unter der deutschen Übersetzung naturgemäß leidet -, aber "Eine Insel" ist doch irgendwie ganz anders, als man von Pratchett gewohnt ist. Vor allem kommt die Handlung einigermaßen langsam in Fahrt. Zwar ist es interessant, wie Mau und Daphne sich zaghaft bekannt machen und erste Schwierigkeiten meistern, aber es zieht sich doch teilweise ziemlich hin, bis die Geschichte endlich richtig losgeht und Spannung aufkommt. Sicherlich nicht Terry Pratchetts bestes Buch, aber auf jeden Fall einen Blick wert!
Das Hörbuch, als gekürzte Lesefassung auf vier CDs erschienen, wird von Stefan Kaminski vorgetragen. Der versierte Sprecher liefert wie üblich eine beeindruckende, lebendige Vorstellung; vor allem seine Interpretation der "Großväter", die in Maus Kopf sprechen, ist super gelungen. Über Kaminskis "weibliche Stimmen" lässt sich zwar streiten, aber da die Lesung ansonsten sehr angenehm und passend ist, stört auch das nicht sehr.
Fazit: Schlechte Bücher schreiben kann Terry Pratchett wahrscheinlich gar nicht - deshalb und wegen der sehr ansprechenden Lesung von Stefan Kaminski vier Sterne, obwohl "Eine Insel" von der Genialität anderer Pratchett-Werke doch ein Stück weit entfernt ist.